Die Botin des Koenigs reiter2
wie Ihr von den Gesegneten sprecht.«
»Selbst dieser Reiter-Heiler konnte seinen Samen nicht fruchtbarer machen. Und für seine Bemühungen hat der König ihn hinrichten lassen und …«
»Ja, ja, ja. Er hat die Reiter aufgelöst. Sie waren ohnehin eine gottlose, betrügerische Bande von Verrätern. Es heißt,
der Reiter-Heiler hätte verhindert, dass der Samen des Königs Früchte trug.«
Karigan spitzte die Ohren. Sie hatte nie davon gehört, dass die Reiter jemals aufgelöst oder für Verräter gehalten worden waren.
Der Kastellan grunzte und nickte. »Er glaubte, dass sich die Leute hinter seinem Rücken gegen ihn verschworen. Und selbstverständlich hatte er recht. Er war zu schlau, um das nicht zu befürchten. Warhein hat sich auf die Seite von Hillander gestellt, und die Zeit des Chaos, die sie sich wünschten, ist nun angebrochen. Vom Clan des Königs ist niemand mehr übrig, der herrschen könnte.«
»Es scheint mir«, sagte der Priester sehr vorsichtig, »dass der König daran nicht ganz unschuldig war.«
Der Kastellan lachte. Es war ein knarzendes, rostiges Geräusch. »Haben Eure Spione das herausgefunden, Vater?«
Der Priester schnaubte abwehrend. »Ihr wollt mich doch nicht bezichtigen …«
»Ich bezichtige Euch keiner Tat, von der der König nichts wusste.«
Der Priester verzog missbilligend das Gesicht.
Wieder lachte der Kastellan und schüttelte den Kopf. »Kommt schon, Vater. Es war nicht zu schwer herauszufinden, dass das Verschwinden und die plötzlichen Tode möglicher Nachfolger tatsächlich Morde waren. Der alte Mann wollte nicht, dass seine Herrschaft zu Lebzeiten gefährdet würde.«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, viel kostbares Blut wird deshalb vergossen werden – wegen seiner fehlgeleiteten Versuche, sich den Thron zu sichern.«
»Es ist bereits ziemlich viel vergossen worden.«
Die beiden Männer gingen einige Zeit schweigend weiter, bevor sie ihr Gespräch wieder aufnahmen.
»Wer, glaubt Ihr, wird …«, begann der Priester.
»Wer könnte das schon sagen? Aber wer immer dem König auf den Thron folgen will, muss alle anderen Clans besiegen, um zu zeigen, dass er der Stärkste ist.«
»Krieg«, murmelte der Priester.
»Krieg«, stimmte der Kastellan zu. »Zwischen den Clans. Das ist das Erbe, das der König uns hinterlässt.«
Der Priester bog die Finger zum Zeichen des Halbmonds. »Möge Aeryc über uns wachen.«
Der Kastellan schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, es ist Salvistar, der nun über uns wacht.«
Er senkte die Stimme, und Karigan musste sich anstrengen, um ihn noch hören zu können. »Der alte Narr ist selbst schuld. Er hätte einen Erben benennen oder eine Möglichkeit finden können, ein Kind zu zeugen und es anzuerkennen. Es war er, der die Clanoberhäupter gegeneinander ausgespielt hat, als geschähe das alles nur auf dem Intrigebrett. Er hat es genossen, der verdammte Mistkerl. Er hat es genossen.« Der Kastellan hielt inne und rieb sich das Kinn. »Es würde mich nicht überraschen, wenn es genau das war, was er gewollt hat – sein letzter Scherz auf Kosten der Sacor-Clans.«
»Wer immer diesen Krieg gewinnt«, sagte der Priester, »möge er Sacoridien abermals vereinen. Möge er Frieden bringen.«
Karigans Gedanken überschlugen sich. Träumte sie, oder war sie gerade Zeugin des Beginns der Clankriege geworden? Die Möwe war das Wappen des Clans Sealender, und der auf der Bahre musste König Agates Sealender gewesen sein, der Letzte seiner Familie, der auf seine Begegnung mit den Göttern vorbereitet werden sollte. Das Clanoberhaupt, das schließlich den Krieg gewonnen hatte und ihm auf den Thron gefolgt war, war König Smidhe Hillander. Wie der Kastellan
und der Priester gehofft hatten, hatte er die Clans vereint und die zweihundert Jahre Frieden und Wohlstand gebracht, die Sacoridien immer noch genoss.
Zweihundert Jahre … Was sie gerade gesehen hatte, war zweihundert Jahre her!
Und wieder erklang dieser Hufschlag. Der Boden bewegte sich unter ihren Füßen, und sie wurde in einen Strom von Licht und Dunkelheit gerissen, die Flammen von Fackeln rasten in Lichtbändern an ihr vorbei und warfen seltsam geformte Schatten auf die Steinwände, und dann war es wieder vollkommen dunkel. Und dann hell.
Menschen erschienen und verschwanden wieder und ließen nur vage Eindrücke zurück. Ihre Worte wehten in schleppenden Echos hinter ihnen her wie Geisterstimmen.
Die Reise, oder was immer es war, fand ruckartig ein Ende.
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