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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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«, schreckte eine junge Stimme sie auf.
    Isabella wandte nicht einmal den Kopf. »Irgendwer hat das Chorbuch aus der Kapelle entfernt und hier liegen lassen!«, behauptete sie und konnte zumindest ihr Gewissen dahingehend beruhigen, dass sie nicht ganz gelogen hatte. »Lauft in den Kapitelsaal und benachrichtigt die Äbtissin!«, setzte sie noch hinzu.
    In dem Moment bemerkte sie, wie die Frau hinter ihr erstarrte. Isabella musste ihre Untersuchung unterbrechen und sich vergewissern, was den Stimmungswandel ausgemacht hatte. »Was ist?«
    »Ja, wisst Ihr denn nicht ...?«, fragte die junge Chornonne überrascht und misstrauisch zugleich.
    »Was? Was sollte ich wissen?« Isabella richtete sich auf. Eskonnten nur noch wenige Seiten sein, die sie umblättern musste. Sie durfte sich nicht zu lange aufhalten lassen. »Jetzt redet schon, oder seid Ihr stumm geworden?«
    »Die Novizin, Julia Contarini – sie ist tot!« Die Stimme der jungen Nonne hauchte die Worte geradezu. Körper-und seelenlos schwebten sie im Raum, und es dauerte, bis Isabella sie tatsächlich verstanden hatte.
    »Tot? Wie, tot?«, fragte Isabella nach, bis sie bemerkte, wie unsinnig diese Frage gewesen war. »Ich meine, wie ist sie gestorben?« Sie fühlte sich seltsam losgelöst in Raum und Zeit. Jede Minute des Gesprächs war verschenkte und vergeudete Zeit. Vor allem auch deshalb, weil die Minuten über ihre Zukunft entschieden. Andererseits verspürte sie ein tiefes Erschrecken. Vor wenigen Stunden hatte sie noch mit Julia Contarini gesprochen, bevor die Äbtissin sie abgefangen und auf ihre Zelle verfrachtet hatte. Eine weitere Tote im Konvent. Und dazu eine Contarini. Das bedeutete nichts Gutes.
    »Sie ist ertrunken. Im hinteren Teil des Gartens. Ich ... ich war dort noch nie«, ergänzte die Nonne, als wäre es ein besonderer Frevel, sich dort aufzuhalten.
    Isabella stutzte. Im hinteren Teil des Gartens? Sie kannte keinen hinteren Gartenteil, außer denjenigen, der direkt zu dem geheimen Eingang auf der Kanalseite führte. Wenn sich die Novizin dort aufgehalten hatte, musste die Tür offen gewesen sein ...
    Jetzt erst wurde Isabella die Tragweite des Gedachten bewusst. Sie selbst hatte die Tür offen gelassen, und Julia Contarini war ins Freie geschlüpft.
    Eine innere Stimme sagte ihr, dass sie eine Mitschuld an diesem Tod trug – und eine andere, dass mit jedem Augenblick die Gefahr größer wurde, von Padre Antonio oder den Nonnen selbst entdeckt zu werden. Hatte Julia Contarini ohne fremde Hilfe einen Fluchtversuch unternommen? Das war gefährlich, weil die Gondolieri, die Fischer, ja die gesamte Stadt daraufachteten, niemand von der Laguneninsel entkommen zu lassen. Niemals würden sie einem Fluchtversuch Vorschub leisten – vor allem nicht bei einer jungen Frau aus einer so bekannten Familie. Wer fliehen wollte, wurde zur Klosterpforte zurückgebracht.
    Isabella betrachtete die junge Nonne mitleidig. Der Tod der No - vizin schien die Frau wirklich mitzunehmen. Tränen standen ihr in den Augen. Doch Isabella musste die Nonne loswerden, bevor sie sich noch deren gesamte Lebensgeschichte anhören musste.
    »Dann eilt in den Kapitelsaal und erzählt, was hier geschehen ist ... « Wiederum stutzte Isabella. »Solltet Ihr nicht bei der Versammlung sein?«
    »Ich ... ich hatte den Auftrag, Suor Ablata zu holen. Ich war in ihrer Zelle, und ...«
    »Und was.«
    »... sie liegt da und ist tot. Auch sie ist tot!«
    Isabella ließ die Luft zwischen ihren Zähnen entweichen. »Bald ist das ganze Kloster ausgestorben.« Ihr fiel keine andere Antwort ein, obwohl Spott hier gewiss fehl am Platze war. »Lauft! Lauft in den Kapitelsaal! Erzählt es allen. Schwestern sterben, das Chorbuch verschwindet, Gespenster gleiten durch die Gänge ...« Isabella hatte die letzten Worte so geheimnisvoll, so düster formuliert, dass sich die junge Schwester bekreuzigte. »Und jetzt fort mit Euch. Ich bewache so lange das Buch!«
    Die junge Nonne rannte davon, als sei der Teufel hinter ihr her. Isabella wartete, bis sie aus ihrem Blickfeld entschwunden war. Dann beugte sie sich wieder über die Handschrift. Sie blätterte auf die folgende Seite um – und sah auf eine Initiale, ein »I«. Der Edelstein, der auf dem Brunnen prangte, räumte jeden Zweifel aus. Die Antwort, warum sie im Innenhof kein Bild, kein Zeichen, keine Tafel gefunden hatten, war so einfach und einleuchtend, dass sie laut auflachen musste. Mit einem Mal war ihr alles klar.
    Sie klappte das schwere

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