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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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unter dem Innenhof? Habt Ihr die Karte? Zeigt mir, wo die Zisterne liegt!« Padre Antonio trat verlegen von einem Bein auf das andere. Die Karte hatte er nicht mehr, und er wollte es dem Alten nicht gestehen müssen.
    Doch der sprach weiter, ohne sich um den fehlenden Plan zu kümmern. »Eine Zisterne! Das ist es. Habt Ihr die Zisterne schon untersucht? Seid Ihr in sie hinabgestiegen?«
    Verblüfft sah Padre Antonio den Alten an, der in sich zusammengesunken auf seinem Stuhl kauerte.
    »Nein, warum auch?« Der Pater wurde ärgerlich. »Ich ...«
    »Weil dort das Versteck sein könnte«, unterbrach ihn der Bibliothekar sofort. »Gebäude werden abgerissen und umgebaut, Mauern verschwinden hinter Mauern, Gärten werden zu gepflasterten Höfen oder zu Baugrund. Nur Zisternen wird es in Venedig ewig geben, und wisst Ihr warum?« Der Alte sah ihn herausfordernd an, und das Leben war sichtlich in ihn zurückgekehrt. Mit einem hustenden Lachen gab er sich selbst die Antwort: »Weil es auf dieser von Wasser umschlossenen Insel kein Trinkwasser gibt! Es von weither holen zu lassen kostet Geld, viel Geld. Die Frauenklöster sind arm. Also müssen sie es sammeln.« Er machte eine Pause, um durchzuatmen. »Alle sammeln das Regenwasser in Zisternen. In kleinen, großen, alten, neuen. Ganz Venedig ist von Zisternen durchlöchert.«
    Padre Antonio hätte beinahe vergessen zu atmen, so fasziniert lauschte er den Ausführungen des Bibliothekars. Er selbst wäre niemals auf den Gedanken gekommen. Zwar gab es auchin Rom Zisternen; das Wasser erhielten die Römer jedoch zumeist über die letzten noch in Betrieb befindlichen Aquädukte. Zisternenwasser schmeckte mit der Zeit brackig und konnte leicht verunreinigt werden. »Ihr glaubt also, das Manuskript könnte in der Zisterne liegen?«
    »Was ich glaube? Ich glaube vielleicht an Gott und die heilige Mutter Kirche, und Gott wird meinen Glauben bald auf die Probe stellen. Aber Gott hat dem Menschen den Verstand gegeben, um die Rätsel dieser Welt zu lösen. Das Manuskript kann nur in dieser Zisterne liegen. Ihr habt mir den letzten Hinweis dafür gebracht, der nötig war.« Der Alte atmete schwer, und Padre Antonio bemerkte, wie er sich an den Hals fasste, als würge ihn dort etwas. Dann sah er die roten Flecken unterhalb der Hand des Bibliothekars und wie sie sich unregelmäßig über den Halsansatz verteilten. Er trat einen Schritt zurück, so vorsichtig, dass es ihm nicht als Unhöflichkeit ausgelegt werden konnte. »Ihr habt den richtigen Zeitpunkt gewählt, mein Freund«, begann der Alte mühsam, ohne ihn direkt anzusehen. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Jetzt wird meine Sammlung herrenlos werden. Bringt meine Schätze in die Vatikanische Bibliothek. Sie werden dort gut aufbewahrt sein. Und bis dahin tut Ihr gut daran, Euch von mir fernzuhalten. Vor wenigen Tagen sind Galeeren aus Zypern eingetroffen ... « Weiter kam der Bibliothekar nicht mehr. Ein Hustenanfall unterbrach den Redefluss. Mit der Hand versuchte er den Auswurf zurückzuhalten, den er abhustete. Als er sie öffnete, enthielt sie blutigen Schleim. Er wischte die Handfläche an einem Sacktuch sauber, das er aus dem Ärmel zog.
    »Sie haben die Pest mitgebracht!«, wisperte der Pater tonlos. »Und Ihr habt Euch angesteckt.«
    »Es war ein Fragment Platons unter den Schätzen, die sie aus Zypern mitgebracht haben. Ein geringer Preis für dessen Entdeckung. Es hat sich gelohnt«, krächzte der Alte.
    Langsam trat Padre Antonio den Rückzug an. Die Pest warhochansteckend und tötete in kürzester Zeit. Zwischen dem ersten Fieber und dem Hinscheiden eines Menschen vergingen oft nicht einmal drei Tage. Welcher Teufel hatte ihn geritten, den Mann aufzusuchen? Womöglich hatte er sich bereits angesteckt und war verloren, ohne es zu wissen.
    »Aber schickt mir ja keinen dieser Quacksalber!«, fuhr der Alte fort. »Sie bringen einen auch dann noch um, wenn man sich bereits auf dem Wege der Besserung befinden.«
    Padre Antonio nickte geistesabwesend. Der Bibliothekar hatte recht. Mit der Kunst der Ärzte war es nicht weit her. Besser, man geriet ihnen nicht in die Fänge.
    Dennoch musste er eine Frage loswerden. Schließlich war er deswegen hergekommen.
    »Nur noch eines«, warf er ein und bedauerte es, damit angedeutet zu haben, dass er sich vor dieser Krankheit fürchtete. »Was hat Julia Contarini mit all den Verwicklungen zu tun?«
    Dem alten Mann stand der Schweiß im Nacken. Er hatte zweifellos Fieber und

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