Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
in eine dunkle Ecke und wartete ab, bevor er sich mit einem Pulk Seeleute um das Recht stritt, als Erster den Kanal zu überqueren. In ihrem Zustand gab es nur einen Gott, dem sie huldigten: den Wein.
    Es dauerte die endlose Zeit zwischen zwei Schlägen des Campanile, bis er die Pforte zum Palazzo des Alten gefunden hatte.
    Diesmal war es Tag, und ihn erstaunte die Größe des Bauwerks, das sich ihm darbot. Padre Antonio schätzte, dass mindestens fünfzehn Fenster zum Gebäude gehörten, es demnach tatsächlich ein Palazzo war. Plötzlich wusste er auch, woher er den Wappenring der jungen Contarini gekannt hatte. Der Stein, der über dem Eingang prangte, zeigte dasselbe Wappen: drei schräge Balken auf goldenem Grund. Anscheinend hatte der Palazzo einst einem Mitglied der Familie Contarini als Wohnhaus gedient. Mittlerweile war er jedoch für die Belange des Bibliothekars zweckentfremdet worden, ohne dass dieser das Wappen entfernt hatte.
    Mit den Fäusten hämmerte er zum dritten Mal gegen die dunkle Eichenholztür, deren rissiges Blatt mit feinen grauen Härchen bedeckt war, als wüchse dem Holz ein Pelz, um auch die nassen und kalten Winter der Stadt überdauern zu können. Endlich vernahm er hinter der Tür das vertraute Schlurfen, und die Pfortenluke wurde geöffnet.
    »Was treibt Euch denn her?«, krächzte der Alte.
    Padre Antonio erschrak. Obwohl er nur einen Ausschnitt des Gesichts sah, stellte er fest, dass der Bibliothekar seit seinem letzten Besuch stark gealtert war. Die Augen schwammen in einer wässrigen Flüssigkeit, waren rot entzündet und von feinen Äderchen durchzogen.
    »Wollt Ihr mir nicht antworten, oder könnt Ihr es nicht?«, raunzte der Bibliothekar und hustete leicht, als müsse er über seinen eigenen Witz lachen.
    »Tut ... tut mir leid«, stotterte Padre Antonio. »Es gibt wieder zwei Tote!«
    Ohne eine weitere Frage zu stellen, entriegelte der Alte die Tür und ließ ihn ein.
    »Wer ist es diesmal?«, fragte er bereits im Flur, während er voraus schlurfte.
    »Die eine ist eine Nonne, die das Chorbuch hütete; sie war schon
alt. Die andere ... die junge Contarini. Julia Contarini. Sie hattedie Fallsucht; von daher wäre es denkbar, dass sie nicht getötet wurde, sondern tatsächlich in den Kanal gefallen und darin ertrunken ist. Die Würgemale an ihrem Hals sagen jedoch etwas anderes.«
    Der Alte kaute auf seiner Unterlippe, während er sich immer wieder zu Padre Antonio umdrehte, wie um sich zu vergewissern, dass er ihm folgte. »Das ist schlimm«, murmelte er vor sich hin, »sehr schlimm!« Sein Gang war noch schleichender als während der Besuche zuvor.
    Er führte ihn wie immer in den großen Saal, ließ sich in seinen Sessel fallen und schien sich einen Augenblick ausruhen zu müssen, bevor er erneut das Wort an ihn richten konnte. »Habt Ihr das Versteck ermitteln können? Wart Ihr vor Ort? Habt Ihr das Manuskript?« Die Sätze kamen in einem Stakkato, als hätte der Bibliothekar keine Zeit mehr, alle Fragen zu stellen, die er gerne gestellt hätte.
    Padre Antonio schüttelte den Kopf, darauf bedacht, nicht mehr preiszugeben, als unbedingt nötig war.
    »Ich habe ein Muster in der Struktur der Hinweise entdeckt«, begann er und vermied es geflissentlich, Isabellas Anteil an dieser Entdeckung zu erwähnen. »Sie sind angeordnet in der Form eines Kreuzes; dies wird aus dem Plan deutlich, den ich von Euch erhalten habe. Doch im Brunnenhof verliert sich die Spur!«
    Der Alte sah ihn mit forschenden Augen an. Der Mann war tatsächlich gealtert. Die Wangen schienen eingefallen zu sein, die Haut wirkte rissig und pergamenten, als fehle dem Körper die Flüssigkeit. Die Stimme zitterte, und immerfort musste er sich räuspern. Allein der Blick mit den entzündeten Lidern und den rötlich verfärbten Augäpfeln bereitete dem Pater Unbehagen, vermischt mit Mitgefühl. Dabei kannte er, wie ihm in diesem Augenblick plötzlich zu Bewusstsein kam, noch nicht einmal den Namen des Alten.
    »Ihr seid krank!«, stellte Padre Antonio fest und trat einen Schritt zurück. »Was fehlt Euch?«
    »Nun, eine Frau, nicht mehr«, witzelte der Alte, ohne auf die Frage einzugehen. »Wo, habt Ihr gesagt, verliert sich die Spur?«
    »Im inneren Brunnenhof. Eine Zisterne steht dort, doch nirgends ist irgendein figürlicher Schmuck zu sehen, weder ein Relief noch eine Grabplatte oder ein Fresko.« Dem Pater fiel es nicht leicht, seine Niederlage einzugestehen.
    »Ein Zisternenbrunnen, sagt Ihr? Eine Zisterne

Weitere Kostenlose Bücher