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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jeden Schritt musste sie mühsam ertasten. So ergeht es also den Blinden, die sich auf nichts weiter verlassen können als auf ihr Gefühl und auf ihre Ohren, dachte Isabella. Endlich hörte die Krümmung der Treppe auf, und ein leises Plätschern kündigte das Ende des Ganges an. Sie stand wieder am Eingang zur Zisterne. In völliger Finsternis.
    »Padre Antonio?«, rief sie in die Nacht hinein. Die Worte hallten von den Wänden wider, doch keine Antwort drang an ihr Ohr. »Padre, wo seid Ihr?« Nur das Zisternenwasser schwappte gegen die unterste Treppenstufe, als würde es von fremder Hand bewegt. Sie hatte lange gebraucht, bis sie oben an der Holzwand gestanden hatte, eine mindestens ebenso endlos lange Zeit hatte sie vor der Verkleidung gelauscht, und auch der Abstieg hatte gedauert. Wenn der Pater ihr gefolgt und in die Senke geraten war, dann war er längst ertrunken. Isabella setzte sich auf die letzte Stufe der Treppe. Es war sinnlos, im Wasser nach dem Leichnam zu suchen. Sie hätte ohnehin nicht die Kraft besessen, ihn auf das Trockene zu ziehen.
    Mit dem Fuß stieß sie plötzlich gegen einen Gegenstand. Sie beugte sich in der Dunkelheit nach vorne und ertastete ihn. Es war ein verzweifeltes Grapschen in eine grundlose Finsternis, die nur freigab, was sie freigeben wollte. Eine Laterne! Hastig tastete sie nach der Kerze und deren Docht. Doch beides war nass und unbrauchbar geworden. Daneben lag die letzte frische Kerze. Deren Docht war noch in Wachs gehüllt.
    Sie fand sogar die Soutane des Geistlichen. Also hatte er die Kuhle durchschwommen und diese Dinge ins Trockene gelegt. Doch wo war der Mann?
    Isabella wühlte in der Soutane und fand in einem wasserdichten Wachsbeutel Zunder, Feuerstein und eine Metallklinge. Hastig machte sie sich daran, einen Funken zu schlagen, was in der Dunkelheit gar nicht so einfach war, und zu einer kleinen Flamme anzublasen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es ihr. Sie hielt den Kerzendocht in die kleine Flamme und hoffte, dass sie das Wachs schmolz. Tatsächlich nahm der Docht die Flamme bald gierig auf, und langsam breitete sich ein matter Lichtschein im Dunkeln aus. Sie erkannte einen schmalen Gang, der aus Bruchsteinen gemauert war, den Durchstieg, die Wasserstelle und schließlich hinter ihr die Wendeltreppe. Mehr war nicht zu sehen, kein weiterer Gang, keine Höhlung, nichts. Plötzlich rauschte das Wasser unter ihr und ein bleiches Etwas wühlte sich aus der Tiefe der Zisterne wie ein übergroßer Fisch. Zuerst glaubte Isabella, es handle sich um eine Art Wassermann, der aus den Tiefen des venezianischen Untergrunds ans Licht drängte, doch dann erkannte sie eine Hand, die keine Schwimmhäute zwischen den Fingern trug, sondern sehr menschlich wirkte. Dahinter tauchte ein Kopf auf, blass und die Gesichtszüge vom Wasser wie abgewaschen. Erst als das Wasser abperlte und sich die Augen öffneten, erkannte sie das Gesicht Padre Antonios.
    »Wo wart Ihr?«, flüsterte Isabella.
    »Das erratet Ihr nie!«, sagte der Pater und hievte sich auf die kalte, feuchte Treppenstufe, ohne darauf zu achten, dass er splitterfasernackt war. »Ich habe das Versteck gefunden!«

KAPITEL 54 Padre Antonio bedeckte seine Scham flüchtig
mit der Hand. »Kommt mit, das müsst Ihr sehen!«, lockte er
Isabella und stieg selbst zurück ins Wasser. Es war empfindlichkalt, doch die Erregung über seinen Fund heizte seinen Körper innerlich auf. Obwohl sich seine Haut rau anfühlte vor Gänsehaut, fror er nicht. Er bemerkte sehr wohl, wie Isabella zögerte. »Jetzt macht schon!«, sagte er spöttisch und drehte ihr bewusst den Rücken zu. »Luft holen, untertauchen und dann nach rechts!«, riet er ihr, bevor er selbst wieder untertauchte und blind die Öffnung suchte, die dort unter dem Gurtbogen eingelassen war. Selbst wenn der Wasserspiegel niedrig stand, war der Zugang gut versteckt, weil er im Dunkel der Nische lag. Nur wer unmittelbar davorstand, konnte ihn entdecken.
    Er zog sich mit einer Hand durch den Durchbruch und tauchte auf der anderen Seite prustend hoch. Der Raum war stockdunkel. Er konnte nur ahnen, wo er war. Ein Licht wäre eine schöne Möglichkeit gewesen, das Geheimnis der Kammer zu erkunden. Doch wie hätte er eine trockene Kerze oder gar einen Zunderschwamm hierherbringen sollen?
    Padre Antonio spürte einen Druck gegen seinen linken Oberschenkel. Zuerst durchfuhr ihn ein Schrecken, als hätte ihn der Teufel höchstpersönlich berührt, doch dann erschien ebenfalls

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