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Die Botschaft Der Novizin

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Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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von Frauen erdacht worden.

KAPITEL 55 »Was ist mit diesem Bibliothekar?«
    Isabella sah ihn an und sah gleichzeitig durch ihn hindurch. Offenbar hatte sie doch seine letzten Worte in der verborgenen Grotte mitbekommen und versuchte, sich einen Reim darauf zu machen. Als er vom Siechtum des Alten berichtete, nickte Isabella, als würde dies allein einen von ihr gehegten Verdacht ausräumen.
    »Er kann also nicht der Unbekannte sein, der im dunklen Habit durch das Kloster schleicht. Wer ist es dann? Habt Ihr eine Vermutung?«
    Padre Antonio verneinte. Was ihn irritierte, war der Nachdruck, mit dem Isabella ihre Ziele verfolgte. »Es muss jemand sein, der Zugang zum Kloster hat. Oder es ist eine der Nonnen«, sagte er leichthin und fing sich einen verächtlichen Blick Isabellas ein. »Ihr habt keine Ahnung, Padre. Nicht die geringste!«, zwitscherte sie merkwürdig vergnügt. »Jeder kommt in dieses Kloster, wenn er will – und wenn er männlich ist.«
    Padre Antonio zuckte nur mit den Schultern. Er wusste nicht so recht, was sie dabei derart erheiterte. Viel schwerwiegender war das Versprechen, das sie ihm abschwatzte: Er sollte sie zu dem Alten führen. Er versuchte sich gegen das Ansinnen zu wehren, wand und duckte sich, doch Isabella ließ nicht locker.
    Schließlich gestand er es ihr widerstrebend zu. Sie wollte den Bibliothekar nach seiner Beziehung zu ihrer Tante fragen. Padre Antonio befürchtete allerdings, sie könnte weitergehende Fragen zu dem verschollenen Manuskript stellen.
    Erst nachdem er ihr die Zusage gemacht hatte, erzählte sie ihm etwas von dem Gespräch, das sie am Ende der Wendeltreppe belauscht hatte. Das ließ seine Hypothese, es könnte sich bei der Gestalt, die im dunklen Habit in San Lorenzo herumschlich, um eine der Nonnen handeln, in sich zusammenfallen. Schließlich schlichen sie die Wendeltreppe nach oben, um endlich wieder in die Wärme und ans Licht zu gelangen.
    Rasch hatten sie den Mechanismus entdeckt, der sie aus der Kaverne entließ. Er befand sich am Fußende des Paneels und war nur bei Licht deutlich zu erkennen. Die Wendeltreppe führte zu ihrer beider Überraschung ins Amtszimmer der Äbtissin. Noch befand sich niemand darin; schließlich war der Tag noch nicht recht angebrochen. Die Glocke schlug zur Prim. Erst nach dem Morgengebet würde sich der Patriarch einfinden, um seine Gespräche weiterzuführen.
    Die Zimmertür war unverschlossen, sodass sie ins Innere des Klosters gelangen konnten. Bevor Padre Antonio sich jedoch auf den Gang hinauswagte, hielt Isabella ihn zurück. Am liebsten wäre er sofort in sein Besucherzimmer geschlichen und hätte sich hingelegt. Er brauchte ein wenig Ruhe.
    »Ihr vergesst, Padre, dass ich im Grunde nicht mehr zur Gemeinschaft gehöre. Signora Artella hat mich zu meinem Vater zurückgeschickt. Ich darf mich hier nicht aufhalten. Wohin also soll ich gehen?« Sie sah ihn derart von unten an, dass ihm ganz merkwürdig zumute war. Er wusste nicht, ob sie mit ihm spielte oder tatsächlich ratlos war. »Außerdem weiß ich, wo wir suchen müssen!«, setzte sie so leise hinzu, dass er es beinahe nicht verstanden hätte. Doch mit diesem letzten Satz hatte sie ihn gefangen. Er wusste es – und sie auch, denn ein Lächeln erstrahlte in ihrem Gesicht, als wäre sie der Sonnenaufgang in Person.
    »Wo? Verratet mir wo!«, drängte er, doch Isabella schüttelte nur bedauernd ihr kluges Köpfchen. Erst jetzt erkannte er die Falle, die sie ihm gestellt hatte. Allerdings war es zu spät für einen Rückzieher. »Ihr könnt in meiner Zelle bleiben«, seufzte er. »Dann lasst uns jetzt losziehen!«, drängte er nun seinerseits und öffnete die Tür zum Gang dahinter.
    In den Fluren lag noch verbraucht und müde ein Rest des nächtlichen Dämmers. Er hüllte den Gang in Zwielicht und verlieh der Anlage, die sie durchquerten, einen Hauch des Unwirklichen. Als hätte die Nacht den Ort in eine andere Welt versetzt und hielte ihn noch für einige Augenblicke dort fest. Nur ihre feuchten Kleider gaben klatschende Geräusche von sich.
    Der Pater lief voraus durch die Gänge. Er fühlte sich, als wabere dieser Morgendunst nicht nur durch die nach außen offenen Verbindungswege, sondern ebenso durch sein Gehirn. Schon deshalb glaubte er zuerst an ein Trugbild, das ihm sein übermüdeter Verstand vorgaukelte, als er in den Hof hinuntersah, von dem aus sie vor wenigen Stunden in die Zisterne hinabgestiegen waren. Dort stand eine dunkel gekleidete Gestalt am

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