Die Botschaft Der Novizin
betrachtet hatte, wusste zuletzt nicht mehr, wohin sie noch schauen sollte. Endlich setzte sich der Geistliche wieder aufrecht.
»Wisst Ihr, wo diese Tür ist?«
Isabella schüttelte den Kopf. »Ich bin kaum einen Tag hier.« »Habt Ihr vielleicht den Schlüssel dazu? Wir haben bei Suor Maria keinen gefunden.«
Wieder verneinte Isabella. Diesmal log sie ganz bewusst. Sie sah dem Priester dabei fest in die Augen. Der sollte keine Unsicherheit bei ihr bemerken.
»Woher wisst Ihr dann davon?«
Zuerst zuckte Isabella mit den Schultern. Padre Antonio trieb sie in die Enge. Sie spürte es sehr wohl, wusste jedoch nicht, ob sie es sich gefallen lassen oder ob sie ihm ausweichen sollte. »Alle wissen davon«, sagte sie nur.
»Und es war das, was Euch am ehesten interessiert hat. Ihr habt einen ... Verehrer?«
Isabella wollte nicht antworten, also blickte sie zu Boden.
»Ihr braucht nicht verlegen zu sein«, betonte der Pater, und seine Stimme gurrte regelrecht. »Bei einer schönen jungen Frau wie Euch sollte es mich wundern, wenn es anders wäre.« Der Pater machte eine Pause. »Ihr hadert mit Eurem Schicksal, der Mutter Kirche übergeben worden zu sein.« Die Feststellung erfolgte ruhig und sachlich.
Das war der Augenblick, den Isabella gefürchtet und erhofft
hatte. Sie schluckte und versuchte ihren trockenen Mund einwenig zu befeuchten. Wenn sie jetzt sagte, was sie dachte, dann würde es Probleme geben.
»Hört mich an, Padre! Mein Vater möchte, dass ich im Kloster bleibe. Gegen meinen Willen. Vater fehlt nämlich das Geld, mir eine Aussteuer mitzugeben, die unseres Standes würdig ist. Deshalb bin ich dem Ruf meiner Tante gefolgt. Ich habe nicht die Absicht, mein Leben der Kirche zu widmen. Ich will einen Mann heiraten und Kinder haben.«
Der Pater nickte. Wie oft mochte er solche Worte bereits gehört haben, dachte sie. Isabella konnte sich keinen Grund dafür vorstellen, dass eine Frau, wenn sie keine echte Berufung verspürte, sich freiwillig in den Schutz eines Klosters begab, außer sie wollte wirklich beschützt werden. Diesen Paradiesgarten benötigte nur, wer sich vor der Welt fürchtete. Sie gehörte gewiss nicht dazu.
»Meine Tante ... lebt nicht mehr«, flüsterte sie endlich. »Sie starb in der Nacht, bevor ich das Kloster betreten habe.«
Der Pater schluckte und bewegte den Mund, als würde er stumm beten. Doch Isabella ließ ihn nicht zu Wort kommen. Es sprudelte geradezu aus ihr heraus.
»Sie starb wie Suor Maria. Man hat mich jedoch nicht über ihren Tod informiert, sondern will mir vorgaukeln, sie wäre als Krankenhelferin nach Torcello gegangen. Ich weiß nicht, warum sie mich alle anlügen; ich weiß nicht, was sie mir verheimlichen wollen; ich weiß nur, dass es nicht stimmt. Ich habe die Leiche gesehen – und ich irre mich nicht!«
Tränen liefen ihr übers Gesicht, und ihre Züge verloren sich. »Mein Gott«, murmelte Padre Antonio. »Wisst Ihr, was Ihr da behauptet?«
KAPITEL 15 Der Tagesablauf war wegen der Untersuchungen und Beratungen durcheinandergeraten. Anstatt die vorgeschriebenen Gebete gemeinsam zu gestalten, trafen sich alleSchwestern nur zum Mittagessen im Refektorium. Es gab eine Gemüsesuppe und frisches Brot, auf das erhitztes Olivenöl geträufelt worden war. Ein karges Mahl, das die ehrwürdige Mutter Immacolata – so glaubte Isabella – der Gäste wegen nicht üppiger gestaltete. Tags zuvor hatten die Frauen jedenfalls ausreichend und vielfältig getafelt.
Der Erzbischof und Padre Antonio saßen erhöht zur Rechten und zur Linken der Äbtissin, die Beichtiger an einem eigenen Tisch etwas abseits. Isabella hatte am Rand eines der Tische Platz genommen. Gestern hatte ihr gegenüber noch Suor Maria gesessen. Jetzt besetzte Julia Contarini deren Stuhl. Die Novizin sah sie unentwegt an und wich auch ihrem Blick nicht aus, als sie zurückstarrte. Isabella wurde aus diesem Mädchen nicht recht schlau. Es streifte frei durch das Kloster, ohne dass Isabella bemerkt hätte, dass eine der Chornonnen Anstoß daran nahm. Es setzte sich, wohin es wollte, obwohl eine strenge Reihenfolge einzuhalten war. Diese stand zwar nirgends geschrieben, doch sie wurde mit einer unnachgiebigen Härte durchgesetzt: Je weiter am Rand man saß, desto jünger die Nonne und desto weniger lang die Mitgliedschaft im Konvent. Wer dagegen verstieß, wurde nicht bedient oder mit Verachtung gestraft. Nur die Contarini schien sich nicht daran zu stoßen – und niemand tadelte ihr Verhalten.
Die
Weitere Kostenlose Bücher