Die Botschaft Der Novizin
Verwechslung geworden ist.«
Jetzt war es an Isabella, erstaunt aufzusehen. »Wie meint Ihr das?«
»Suor Maria hatte die Zelle deiner Tante bezogen«, flüsterte die Nonne. »Auf ihre eigene Bitte hin.«
»Ich dachte, ich hätte die Zelle meiner Tante ..«
Signora Artella schüttelte nur den Kopf und biss sich auf die Lippen. »Wir wollten dich ..«, mehr kam nicht über ihre Lippen.
»Aber .. das würde bedeuten ..« Isabella kam auf keinen vernünftigen Satz. »Ist sie denn ..?«
»Suor Maria ist ermordet worden. Daran besteht kein Zweifel. Der Mörder oder die Mörderin hat in der Zelle nach etwas gesucht.«
Isabella kamen die Schläge von gestern Nacht in den Sinn. Hatte sie womöglich den Todeskampf Suor Marias mit angehört? »Man hat mir nicht die Zelle meiner Tante gegeben? Obwohl Suor Maria so etwas gesagt hat?«
Langsam verstand Isabella gar nichts mehr.
»Als deine Tante nach Torcello aufgebrochen war, hat jemand ihre Zelle auf den Kopf gestellt und nach etwas gesucht. Wir wollten nicht, dass du davon erfährst und dich ängstigst. Deshalb haben wir die Zellen getauscht.«
Unwillkürlich griff Isabella nach dem Schlüssel unter ihrem Habit. Sie wusste sofort, wonach der Unbekannte gesucht hatte. Als er den Schlüssel nicht bei der Tante entdeckt hatte, hatte er die Zelle anscheinend ein weiteres Mal durchsuchen wollen. Dabei hatte ihm oder ihr Suor Maria im Weg gestanden und somit sterben müssen.
»Du bist so blass geworden, Isabella! Ist dir nicht gut?«
Isabella schüttelte den Kopf. »Wenn ich Euch recht verstehe, Signora Artella, hätte es mich treffen können, wenn ich die Zelle meiner Tante bezogen hätte.«
Die Nonne sah ihr lange in die Augen, dann nickte sie. »Du solltest vorsichtig sein.«
KAPITEL 14 Der Nuntius des Papstes hatte nach ihr rufen lassen. Signora Artella war als Überbringerin der Botschaft in die Backstube gekommen, um sie abzuholen.
Jetzt brannte der Schlüssel wie Feuer in ihrer Hand, und Isabella musste ständig an ihre Entdeckung denken. Das Fett all der Hände, die ihn berührt und geführt hatten, hatte ihn poliert, sodass er glatt und rundgeschliffen war. In den Schaft waren Zeichen eingeritzt, die sie mit der Fingerkuppe erspüren konnte. Für eine genauere Betrachtung im Licht hatte sie noch keine Zeit gefunden. Nur dass es sich um eine Inschrift handelte, war offenkundig.
Die Bedeutung der Zeichen lag ebenso im Dunkeln wie die Verwendung des Schlüssels selbst. Nur zu gern wäre sie durchs Kloster gelaufen und hätte den Schlüssel an jedem Schloss ausprobiert. Doch sie hatte keine Wahl; sie musste zu dieser Unterredung hin, bei der sie nicht wusste, was sie erwartete. Vor allem aber musste sie vorsichtig sein.
Stumm waren sie nebeneinanderher gegangen, sie und Signora Artella, und dabei auch am Besuchszimmer vorbeigekommen, aus dem Lachen und lautes Gerede herüber-schallte. Beinahe hätte sie Marcello vergessen. Ihm musste sie unbedingt die Nachricht vom Tod Suor Marias überbringen. Außerdem war sie gespannt darauf, was er von ihrem Vater berichtete. Als sie nicht zum Kapitelsaal hin abbogen, sondern eine andere Richtung einschlugen und Isabella gerade den Grund dafür erfragen wollte, begann die Chornonne zu reden.
»Er wird dir Fragen stellen«, erklärte Signora Artella. »Bedenke,
du bist erst wenige Tage im Kloster San Lorenzo. Manches mag
dir an seinen Fragen seltsam erscheinen. Erst die Jahre hinterden Mauern machen die Dinge transparent. Verplappere dich nicht zu unserem Schaden.«
Die Nonne führte Isabella in einen Teil des Klosters, den ihr nicht einmal Suor Maria gezeigt hatte. Dabei kamen sie an einer Zelle vorbei, aus der eindeutig das Weinen eines Kindes zu hören war. Eine Frau tröstete das Kleine, und gleich darauf hörte sie es genüsslich aufseufzen, als bekäme es die Brust zu trinken. Verwirrt sah sie auf Signora Artella, die starr geradeaus blickte. »Das Ohr«, sagte diese nur, »kann täuschen. Es ist ein trügerischer Sinn, den man zum Narren halten kann. Glaub nicht, was dir die Sinne zutragen, denn die Welt ist voller Täuschung und Unwahrheit. Einzig im Herzen liegt die Wahrheit verborgen – und in Gott.«
Isabella zermarterte sich den Kopf. »Was will der Nuntius von mir? Ich bin, wie Ihr zu Recht gesagt habt, ein Neuling. Was kann ich ihm über dieses Kloster erzählen, dass er mich als eine der Ersten zu sich ruft? Außerdem bin ich nur eine Educanda.«
»Vermutlich will er nur von dir wissen, warum du
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