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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mauern, Signorina Marosini?«
    »Ich ... woher soll ich das wissen?«, stotterte sie. »Ich bin erst seit gestern hier.«
    »Und die Tante hat Euch nichts verraten?« Die Neugier des Paters war verständlich. Der Skandal begann bereits zu riechen wie Tote, die nicht in die Erde gelegt werden und in der Hitze der Luft verwesten. Wenn die Familien der Stadt erfuhren, dass das Leben der Frauen in San Lorenzo gefährdet war, wenn ruchbar wurde, dass ein Mörder hinter den Mauern des Klosters sein Unwesen trieb, würde das nicht ohne Folgen bleiben.
    »Ich weiß von nichts!«, sagte Isabella.
    »Wie Ihr bereits sagtet, seid Ihr selbst womöglich gefährdet!«, stellte der Pater fest
    »Aber ich bin unschuldig.« Isabella stand auf. Sie bemerkte, dass sie gut einen Kopf kleiner war als der Pater. Der sah sie ernst an und trat einen zweiten Schritt tiefer in die Zelle. Sie spürte seine Sorge um sie. Die Welle eines Gefühls erfasste sie,die Sicherheit und Anteilnahme mit sich trug. Sie empfand die plötzliche Nähe nicht mehr als störend und unsittlich. Jetzt konnte sie ihn sogar riechen, einen Duft nach Sandelholz, vermengt mit einem schwereren nach Weihrauch. Der Pater hielt auf sich, was auch seine kurz geschnittenen, sauber gekämmten Haare zeigten. Er gefiel ihr, dieser Römer, der so anders war als die Männer in Venedig, die sie kannte. Doch sogleich unterdrückte sie ihre Aufwallung, welche so schnell in ihr aufgestiegen war, dass sie das Gefühl hatte, ihr Gesicht müsse feuerrot angelaufen sein.
    »Die ehrwürdige Mutter Äbtissin hat mir nicht einmal mitgeteilt, dass Eure Tante überhaupt tot ist.« Der Pater kaute auf seiner Unterlippe. »Hat Eure Tante, Suor Francesca, ebenfalls Besuch erhalten? Nachts?« Er stockte kurz, räusperte sich. »Von Männern?«
    Langsam schüttelte Isabella den Kopf. Das konnte sie sich nicht vorstellen. Ihre Tante hatte sich mit dem Klosterleben abgefunden. Niemals war der Familie eine der sonst üblichen Geschichten zu Ohren gekommen, die in der Stadt die Runde machten. Geschichten von unzweideutigen Angeboten, Heiratsversprechen, von körperlichen Exzessen und Festen hinter den Klostermauern, deren Lärm bis auf die Kanäle hinaus zu hören waren.
    »Ich glaube es nicht«, sagte sie schlicht.
    »Unabhängig davon, ob Ihr es glaubt oder nicht, muss dies bedacht werden.« Der Pater stockte. »Die Äbtissin teilte mir mit, Suor Maria habe einen Schlüssel besessen, um eine verborgene Außentür zu öffnen. Regelmäßig habe sie einen männlichen Besucher eingelassen. Dieser Schlüssel sei mit ihrem Tod verschwunden, und sie befürchte nun, Schwester Maria habe ihn an Euch weitergegeben.«
    Isabella nahm diese Mitteilung mit unbewegtem Gesicht zur
Kenntnis und versuchte, sie in das Mosaik einzupassen, das sie
zusammenzufügen begann. Sagte der Pater die Wahrheit, odererfand er die Geschichte nur, um an ihren Schlüssel zu gelangen? Wenn ja, log er geschickt. Andererseits, was hatte er davon? Im Grunde nichts, denn der Schlüssel bot ihm nicht mehr Möglichkeiten, als er ohnehin besaß. Er konnte sich weitgehend frei in San Lorenzo bewegen. Für ihn war dieser Schlüssel demnach kein Zugewinn. Beinahe hätte sie ihm von ihrer Entdeckung erzählt, doch dann verdarb der Pater alles. Mit einer Stimme, in der Neugier und kirchliche Autorität eine unheilvolle Verbindung eingingen, hakte er nach:
    »Signorina Marosini, wenn Ihr etwas wisst, wenn Euch der Ort, an dem der Schlüssel liegt, bekannt ist, habt Ihr die Pflicht, ihn mir mitzuteilen. Stellt Euer Befinden, Eure Trauer und die Sorgen um Eure Tante und Suor Maria nicht hinter die Pflicht dem Orden, ja hinter die Pflicht der Mutter Kirche gegenüber!«
    Einmal zu oft kam in diesem Appell das Wort Pflicht vor. Den Teufel würde sie tun! Zuerst wollte sie selbst nach den Dingen sehen und darüber urteilen, inwieweit der von Padre Antonio bemühte Orden oder gar die Kirche damit behelligt wurde.
    In diesem Augenblick läutete es zur Non. Isabella horchte auf. »Verzeiht, Padre Antonio«, unterbrach sie ihn und drängte sich an ihm vorbei. »Ich muss zum Gebet. Die Pflicht ruft!«

KAPITEL 16 Hastig lief Isabella auf den Gang hinaus und eilte in Richtung Nonnenchor davon. Sie war kaum an dessen Ende angelangt und um die Ecke gebogen, als sie regelrecht in die Novizin hineinlief. Julia Contarini musste sich an ihr festhalten, um nicht zu stürzen.
    »Entschuldigt!«, entfuhr es Isabella, die das Mädchen an der Schulter packte, während

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