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Die Botschaft Der Novizin

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Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Verbündete im Kloster, jemanden, der sich hier auskannte – und die Novizin, mit deren Hilfe sie schon geliebäugelt hatte, kam seit diesem Vorfall nicht mehr in Frage. »Seid Ihr sicher, Suor Anna, dass Ihr wissen wollt, was ich diese Nacht erlebt habe? Seid Ihr sicher, dass es Marias Wunsch gewesen wäre, in diese Sache verwickelt zu werden? Was immer es auch für eine ›Sache‹ ist?«
    Suor Anna wurde langsam unruhig. Die Wache würde bald wieder auf ihrem Gang auftauchen. »Sei versichert, dass ich dir helfen will. Um dir zu zeigen, dass ich auf deiner Seite stehe, Isabella, will ich dir für den Rest der Nacht ein kleines Rätsel zu lösen aufgeben. Auf dem Schlüssel sind vier Buchstaben eingraviert.«
    »Ich weiß. I-N-R-I«, bestätigte Isabella und bemerkte erst jetzt, dass sie Wissen preisgegeben hatte, über das sie eigentlich nicht hätte verfügen dürfen.
    Die Chornonne grinste. »Ich wusste, dass du den Schlüssel hast. Doch jetzt zum eigentlichen Problem: Wozu dienen die Buchstaben? Sind sie nur eine Zierde? Deine Tante, Maria und ich haben lange darüber nachgedacht.«
    Suor Anna stand auf. Ebenso lautlos, wie sie gekommen war, verschwand sie wieder. Keine Minute zu früh, denn auf demFlur waren bereits wieder die Schritte der Küchenmeisterin zu hören. Die Buchstaben auf dem Schlüsselschaft! Daran hatte sie nicht mehr gedacht. Sie hatten natürlich etwas zu bedeuten! Ob sie wirklich nur die Abkürzung der Kreuzigungsinschrift zeigten? Und wenn sie mehr bedeuteten, was taten sie dann auf einem Schlüssel, der ein Chorbuch aufschloss?
    Die Buchstabenreihe begann mit einem »I«. Isabella stockte. Die Neumenhandschrift begann ebenfalls mit einem »I«! Vor Aufregung hätte sie sich beinahe verschluckt. Das war es. Das hatte sie übersehen. Vielleicht musste man ja in der Handschrift nur nach den Buchstaben I, N, R und I suchen! Das wäre sinnvoll gewesen. Was sie damit hätte anfangen sollen, wusste sie im Augenblick nicht, doch sie würde es herausfinden. Gleich am nächsten Tag – oder besser in der nächsten Nacht – würde sie sich davon überzeugen, ob sie recht hatte.
    Die Aufregung über ihre Entdeckung ließ sie in der Zelle umherwandern. Was war, wenn sie damit tatsächlich eine Spur zur Lösung des Rätsels gefunden hatte? Wohin, um alles in der Welt, mochte sie führen?
    In dem Moment schlug Julia Contarini die Augen auf und lächelte Isabella an.

KAPITEL 25 Padre Antonio stürmte in das Zimmer der Äbtissin. Die sah nicht einmal hoch oder wirkte erschrocken, als der Geistliche ohne Vorankündigung hereinplatzte.
    »Wo ist die Educanda?«, herrschte er die Äbtissin an.
    Suor Immacolata sah langsam von ihrer Schreibarbeit auf, als könne sie sich nur mühsam davon lösen. Mit einem Seufzer akzeptierte sie die Störung. »Ich bereite meine Rede vor, mit der wir der Toten gedenken«, antwortete sie ruhig. »Was bedrückt Euch, Pater?«
    Der Nuntius musste sich zusammennehmen, um nicht laut zu werden. Mit verspannten, zu einem kleinen Mund zusammengezogenenLippen forderte er, sie solle ihm mitteilen, wohin sie die Educanda Isabella Marosini habe bringen lassen. »Isabella? Ist sie nicht da?« Jetzt bewegte sich Suor Immacolata doch schneller. Sie klappte ihre Skizzenmappe zu, steckte die Feder in einen Halter und stand auf.
    Stumm nickte sie dem Pater zu, und der folgte ihrem humpelnden Gang die Korridore entlang bis zur Zelle der Educanda. »Ihr wartet hier!«, herrschte sie den Mann an, der hinter ihr das Zimmer betreten wollte. »Wer weiß, in welchem Zustand ich sie vorfinde.«
    Padre Antonio beobachtete die Äbtissin genau und wurde das Gefühl nicht los, als wüsste sie, dass hinter der Tür niemand mehr anzutreffen sei. Die Art, wie sie die Zelle betrat, wie sie sich umschaute, wie sie kopfschüttelnd dastand, wirkte einstudiert und gewollt.
    Dennoch schien die Verblüffung, mit der sie sich zu ihm umdrehte und hereinwinkte, echt zu sein.
    »Schließt die Tür!«, blaffte sie ihn an. Dann trat sie so nahe an den Pater heran, dass dieser selbst einen Schritt zurückwich. »Woher wusstet Ihr das?«
    »Ich ...« Die Frage überraschte Padre Antonio. »Ich habe es nicht gewusst. Sie ist nicht zur Befragung erschienen, und da dachte ich ... «, versuchte er sich zu rechtfertigen, obwohl er keinen Grund dafür sah. Warum sollte er auch Rede und Antwort stehen? Diese listige Nonne hatte ihn überrumpelt. »Zudem stelle ich hier die Fragen. Woher wisst Ihr, dass sie tatsächlich

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