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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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alles gewährt. Als sie ihn gebeten hatte, ob er sie nicht bis zum Kloster begleiten könnte, hatte er sofort zugestimmt, sie dorthin zu bringen, ja, ihr sogar den einen Außeneingang zu zeigen, der nicht bewacht war. Jetzt schaukelten sie die Kanäle entlang.
    Es ging bereits auf Mittag zu, und die Nonnen würden sich bald zur Begräbnisfeier versammeln.
    »Signora Artella hat Suor Anna in den ›Ochsen‹ geschickt, damit sie dort entbindet. Suor Patina ist eine erfahrene Hebamme«, sagte Isabella.
    Sie dachte gerade daran, dass sie mit ihren Vermutungen völlig falschgelegen hatte. Das alles hatte nichts mit ihr zu tun gehabt. Und schon gar nichts mit der Warnung, die Suor Anna ihr gegeben hatte.
    »Bist du sicher, dass das Pförtchen offen ist?«, fragte sie Marcello. Sie lehnte sich leicht an seine Schulter. Eigentlich ziemte sich so ein Verhalten nicht für eine Educanda, doch sie wollte ja nicht im Kloster alt werden. Vielleicht musste man angehende Männer wie Marcello nur ein wenig stupsen, damit sie reagierten.Sie schielte jedenfalls zu ihm hinüber und bemerkte mit Vergnügen seine Verlegenheit.
    »Das fragst du jetzt zum dritten Mal, Isabella. Glaubst du mir nicht?«
    Sie legte ihm den Finger auf den Mund und lehnte sich fester gegen ihn. Zaghaft umfasste er ihre Schulter und drückte sie an sich.
    »Ich werde bei deinem Vater um deine Hand anhalten«, sagte er mit rauer Stimme und räusperte sich dann.
    Isabella wollte nicht reden. Sie wollte ihn spüren, seine Wärme, seine Zärtlichkeit. Wie sehr sie seine Nähe vermisst hatte, fühlte sie erst jetzt, nachdem er so nahe war.
    »Wir sind da!«, eröffnete ihnen der Gondoliere und klopfte gegen einen der Holme der felze .
    Isabella wunderte sich, schien ihr doch die Zeit, die sie gebraucht hatten, wie im Flug vergangen zu sein.
    »Mir ist beinahe der Arm abgestorben«, verkündete Marcello ein wenig taktlos und massierte sich den Arm, den er um ihre Schulter gelegt hatte.
    Entgeistert schaute sie Marcello an. Hatte er denn nichts für sie empfunden, was die Unannehmlichkeit gerechtfertigt hätte? Wütend schlug sie das Tuch zurück. Marcello stieg an Land. Isabella folgte ihm. Dabei ließ sie sich nicht helfen. Sie würde es diesem ungehobelten Kerl schon zeigen. Ein wenig ratlos sah Marcello in die Hand, die sie ausgeschlagen hatte.
    »Wo ist die Pforte?«, zischte sie, nachdem Marcello den Gondoliere seines Vaters angewiesen hatte, die Insel so lange zu umrunden, bis sie wieder auf dem Flecken Land auftauchten.
    »Was hast du denn?«, fragte er unschuldig. Doch Isabella hob nur den Kopf und stapfte den schmalen Uferstreifen entlang. Hier war sicher irgendwann einmal etwas angebaut worden, aber der feuchte Boden und das fehlende Licht durch die hohen Mauern des Gebäudes hatten auf Dauer nur Strauchwerk überleben lassen. Ein schmaler Pfad, kaum als solcher zu erkennen,führte die Mauer entlang und verschwand hinter einem riesigen Feigenbaum, der seine breiten Blätter schützend über einen Teil der Umfassung legte. Isabella ahnte bereits, dass sich dort der Zugang befinden musste, und strebte zielsicher darauf zu, ohne auf Marcello zu warten. Sie zwängte sich durch das Blattwerk, das an der Wand tatsächlich lichter wurde und einen kleinen Schlupf freigab, welcher von einer massiven Eichenholztür versperrt wurde.
    Isabella drückte dagegen, zog am Türknauf, doch die Tür rührte sich nicht.
    »Willst du mir nicht sagen, was ich dir gerade getan habe, dass du mich so abfertigst?«, fragte Marcello. Isabella, durch den Widerstand der Tür noch mehr in Rage gebracht, schnellte herum und wollte ihm scharf erwidern, doch sein Gesichtsausdruck versöhnte sie mit ihm. Er sah derart belämmert drein, dass sie beinahe laut gelacht hätte. Vermutlich hatte er nicht verstanden, dass er sie eben beleidigt hatte. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und zog ihn an sich.
    »Es tut mir leid«, sagte sie nur. »Man sagt einer Frau nicht, dass einem der Arm einschläft, während man sie mit ebendiesem Arm umfängt!«, erklärte sie. Sie legte den Kopf auf seine Brust und fühlte, wie sein Herz schlug und das ihre ihm antwortete. So standen sie eine ganze Weile und genossen ihre Nähe und die gegenseitige Wärme.
    In die Vertrautheit hinein schlug dünn die Totenglocke. Isabella schaute hoch und fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Besonders lange hatte sie Suor Maria nicht gekannt, doch vom ersten Moment an hatte sie sich zu ihr hingezogen gefühlt.

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