Die Botschaft Der Novizin
aus Schiffsleuten und aus einer Anzahl junger, maskierter Gecken in knallfarbenen Strumpfhosen.
Gesprächslärm schwappte über die beiden Frauen weg, bis die Besucher sahen, wer dort zur Tür hereinkam. Die Unterhaltungen verstummten, die Köpfe wandten sich ihnen zu. Isabella war sich nur zu bewusst, wie exotisch sie in ihren Habits mit den Kopfhauben wirken mussten. Sie versuchte sich hinter Suor Anna zu verbergen, doch diese griff ihre Hand und hielt sie eisern fest. Sie bewegte sich jedoch keinen Fußbreit in den Raum hinein.
Ein Pfiff hallte durch den Raum, wie er von Männern den Frauen nachgeschickt wird, die ihnen gefallen, und allgemeines Gelächter löste die Spannung und schwemmte die Stille hinweg.
»Was sollen wir hier?«, fragte Isabella leise.
Bevor Suor Anna antworten konnte, winkte ihnen aus einem Nebenraum eine Frau energisch zu, sie sollten nicht in der Tür stehen bleiben, sondern zu ihr kommen. Die Chornonne zögerte nicht, sondern watschelte voran und zog Isabella hinter sich her in den Nebenraum, der sich als Küche entpuppte. Für sie beide wurde es zu einem wahren Wettlauf gegen die Hände, die sie betatschten und versuchten, ihnen den Habit zu heben. »Warum habt ihr nicht den Nebeneingang genommen? Müsst ihr mir die Gäste vergraulen?«, fauchte die Frau sie an. Sie musterte Suor Anna mit einem abschätzenden Blick und zog den Mund schief.
»Wir wussten nicht ... «, versuchte sich Isabella zu rechtfertigen, nachdem sie sich fluchtartig hinter den Durchgang gerettet hatten. Einer der Kerle hatte sie sogar in den Hintern gezwickt. »Hier entlang«, befahl die Frau energisch. Sie trug ein einfachesÜbergewand aus Leinen, darunter ein weiches, weißes Hemd, das so gar nicht zu der schlichten Ausstattung passen wollte. Ihre Haare versteckte sie unter der Haube einer verheirateten Frau. Ihre Gesichtszüge waren rund, mit Backenäpfelchen und einer rosigen Zufriedenheit ausgestattet. Die Ärmel hatte sie hochgekrempelt, sodass man ebenfalls rosige Unterarme zu sehen bekam, die von Narben übersät waren, als wäre sie in eine Messerstecherei geraten oder durch eine Glasscheibe gefallen. Sie führte die beiden Frauen in den rückwärtigen Teil des Gebäudes und über eine Stiege hinauf in den ersten Stock, den Suor Anna nur mit Mühe erreichte. Sie traten auf einen Flur hinaus, und die Frau deutete auf eine Tür. »Die ist verschlossen. Dahinter beginnt der Gästetrakt. Der ist euch verboten. Hier«, sie deutete auf eine andere Seitentür, »ist eure Zelle. Ihr müsst sie miteinander teilen. Das muss sein; alle anderen Zellen sind belegt.«
Isabella musterte den kleinen Vorraum. Die beiden anderen Wände waren mit rohen Holzpaneelen verkleidet, hinter denen sich das Mauerwerk zu verbergen schien.
»Wie ist Euer Name?«, fragte Isabella, bevor sie an der Frau vorbei ihre neue Zelle betrat.
»Entschuldige. Vor lauter Arbeit in der Küche unten ... Man nennt mich Suor Patina.«
Unwillkürlich drehte sich Isabella um und musste die Nonne so verblüfft angesehen haben, dass diese munter weiterplapperte. »Ja, ich bin auch eine Nonne. Aber du hast ja gesehen, was ein Habit unter den Männern unten anrichtet. Das wollen wir lieber vermeiden!« Sie grinste breit. »Richtet es euch ein. Wenn ihr Hunger habt, kommt herunter. Doch nur über die Treppe, die wir eben hochgegangen sind.«
Suor Patina wandte sich um und ließ die beiden Frauen allein. Der schmale Raum enthielt links und rechts jeweils eine Pritsche, die an die Wand geklappt werden konnte. Ansonsten war er kahl bis auf ein Kruzifix über dem Eingang.
»Suor Anna, sagt mir, dass wir hier nicht in ein Bordell geraten sind. Dieses Haus kann unmöglich zum Kloster San Lorenzo gehören.« Isabella hatte sich niedergesetzt und versuchte erst einmal ihre Gedanken zu ordnen. »Geleitet von einer Nonne? Etwas Verrückteres ...«
Sie wagte nicht, das auszusprechen, was so offensichtlich war. Suor Anna, die sich schwer auf die hölzerne Pritsche gesetzt hatte, hob die Schultern. »Es stimmt. Alles stimmt!«, bestätigte sie schlicht.
Isabella war ans Fenster getreten und blickte aus der vergitterten Öffnung hinunter auf einen der Kanäle. Bunte Gondeln zogen darauf ihre Bahn. Das Wasser gluckerte, als murmele es vorwurfsvoll vor sich hin. Von der rotgetünchten Mauer gegenüber bröckelte der Putz, und die Farbe brach auf wie Haut bei schlecht verheilten Narben und ließ die Holzkonstruktion darunter sichtbar werden. Alles strahlte eine Ruhe
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