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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Aufgaben zuständig war, mit der Arbeit nicht nach, weil der Patriarch und er die Nonnen mit ihren Fragen belästigten und von ihrem Tagwerk abhielten. Jetzt war es ihm ganz recht, denn dem Gestank des überlaufenden Schaums näherte man sich ungern. Hinter dem Fass befand sich gerade noch Platz genug für einen schmalen Mann wie ihn. Dennoch schützten ihn die Fässer nur unzureichend; einem aufmerksamen Auge wäre der Lauscher nicht verborgen geblieben. Leider verstand er in der Aufregung darüber, ob sein Versteck hinreichend sicher war, nicht genau, was die beiden Frauen miteinander besprachen. Den Namen Torcello hörte er heraus und etwas von einem Grab. Den Rest reimte er sich zusammen. Vermutlich brachten die Nonnen ihre Mitschwester nach Torcello, um sie dort in der Abgeschiedenheit der Insel zu beerdigen. Waren die Gebeine vom sündigen Fleisch befreit, wurden sie ins Ossuarium von San Lorenzo zurückgebracht.
    Padre Antonio ließ die beiden Frauen an sich vorübergehen und blieb noch eine Weile hinter den Fässern hocken. Es störte ihn nicht einmal, dass sich der Saum seiner Soutane mit übergelaufener Flüssigkeit aus einer Pfütze vollsog. Es war der geistige Sumpf, der an ihm zerrte. Die Kirche wimmelte von geheimen Orden und Bünden, von denen wiederum jeder einen eigenen Schatz verbarg oder hütete: hier ein Tuch, dort einen Knochen, da eine Locke, ein andermal einen Schädel. Ob Schriften oder Artefakte, ob angebliches Wissen oder sicheres Wunder, die Mutter Kirche barg sie alle unter ihrem schützenden Dach – und dennoch schwächten sie damit den Bestand ebendieser Kirche. Diese Schwäche bot Angriffspunkte für Kritiker und Andersdenkende. Ganze Mauerquader wurden aus dem fest gefügten Gebäude herausgebrochen. Die Selbstständigkeitder Templer, welcher der Papst vor dreihundert Jahren im Bund mit dem französischen König Einhalt geboten hatte, war eines der Beispiele, das Aufkeimen und Ausblühen der Lehre dieses abtrünnigen Mönchs Luther ein anderes. Es war daher wichtig, die Kontrolle über solche Entwicklungen zu behalten, sie womöglich zu steuern, wenn man es für notwendig hielt, bevor sie sich verselbstständigten und Unheil stifteten. Darin sah er seine eigentliche Aufgabe: die Artefakte zu bergen, die Schriften einzusammeln, die scheinbaren Wunder als Scharlatanerie zu entlarven und unschädlich zu machen und das Wissen darüber den Vatikanischen Bibliotheken zuzuführen. Eine Aufgabe, die einerseits so sinnlos war, wie mit dem Auge einer Ameise inmitten eines Ameisenhügels einer Spur zu folgen, andererseits jedoch so wichtig wie Eisenklammern an antiken Gebäuden. Jede einzelne Klammer schien sinnlos zu sein. Erst die Verbindung der Klammern hielt den Bau aufrecht und schützte ihn vor Erdbeben und anderen Unbilden.
    Dennoch war er nicht ganz mit sich zufrieden. Warum hatte er sich den beiden Nonnen nicht zu erkennen gegeben und sie gleichzeitig zur Rede gestellt? Was hätten sie ihm schließlich anhaben können? Nichts. Es waren nur Nonnen.
    Padre Antonio kroch aus seinem Versteck und ging ganz in Gedanken versunken zu seiner Zelle zurück. Er fühlte, dass er etwas auf der Spur war, das all die Dinge in den Schatten stellte, denen er bislang nachgejagt war. Ohne es bemerkt zu haben, hatte er den Weg zurück zur Kapelle genommen. Er stand vor der Pforte, durch die eben noch die Tote hinausgetragen worden war. Mit der Hand berührte er das Holz, als könne es ihm etwas darüber mitteilen, was hier vorging. Warum hatte die Tante der Educanda Isabella sterben müssen? Warum war Suor Maria ermordet worden? Waren sie beide eines unnatürlichen Todes gestorben?
    Der Pater hatte die sich ihm nähernden Schritte längst gehört
und wartete darauf, dass er angesprochen wurde. Als dies nichtgeschah und die Schritte verstummten, drehte er sich um. Mit in die Ärmel geschobenen Händen stand Signora Artella im Durchgang.
    »Ihr riecht nach Gurkenessig, Pater!«, spottete sie.
    »Und Ihr nach dem Weihrauch der Aussegnung«, konterte er geschickt.

KAPITEL 33 Erschöpft, das Gesicht noch rot vor Anstrengung und doch mit einem Strahlen auf dem Gesicht, saß Suor Anna in ihrem Bett, das Kind an der Brust.
    »Ist es ein Junge oder ein Mädchen?«, wollte Isabella wissen. »Ein Mädchen«, antwortete Suor Anna leise. Die schweißnassen Haare klebten der Schwester noch im Gesicht.
    »Es ist schnell gegangen für die erste Geburt!«, meinte Isabella, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen

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