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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Weg, den er gekommen war, lief auf eine Pforte zu und endete dort. Von links und rechts trafen rechtwinklig zwei weitere Gänge ein, moderner, lichter und weiß gekalkt.
    Padre Antonio näherte sich der Pforte behutsam, immer bereit, sofort den Rückzug anzutreten, falls die Flügel sich öffneten. Er legte den Kopf gegen die schweren Eichenholzbalken und lauschte. Zwar verstand er nur wenig von dem, was sich drinnen abspielte, doch so viel war ihm aufgrund seiner eigenenPriestertätigkeit sofort klar: Dort drinnen wurde ein Totenamt abgehalten und eine Leiche eingesegnet.
    Doch wessen Leiche sollte das sein? Suor Maria lag unter der Erde. Hatte die Educanda Isabella doch recht mit ihrer Beobachtung? War ihre Tante demnach wirklich verstorben, ja sogar getötet worden?
    In der Kapelle verstummten die Gebete. Sofort schreckte der Pater auf. Die Totenmesse war beendet, jetzt wurde die Tote zur Ruhe gebettet. Padre Antonio hatte sich bereits vorher eine Nische in einem der Seitengänge als Versteck ausgespäht und zog sich jetzt rasch dorthin zurück. Keinen Augenblick zu spät, denn die Türflügel öffneten sich und die Äbtissin trat heraus. Der Pater, der im dunkelsten Winkel hockte, konnte das nicht sehen, doch den schleppenden Gang, der für Suor Immacolata so typisch war, konnte er hören. Die Nonnen wählten den alten Weg und kamen so an ihm vorüber. Sie hatten sich gänzlich in schwarze Gewänder gehüllt, Kapuzen direkt über den Kopf gezogen und trugen jede der Toten eine Kerze voran. Dabei murmelten sie halblaut einen Psalm vor sich hin, aus dem der Pater nur einzelne Wörter verstand.
    Der Priester zählte zehn Nonnen, die das Totengeleit gaben. Sechs von ihnen trugen den Sarg, jedoch nicht auf den Schultern, sondern auf Stangen, die sie in Hüfthöhe hielten, in der einen Hand die Stange und in der anderen ihre Kerze. Zwei gingen voraus, darunter die Äbtissin und Signora Artella, zwei weitere schlossen den Zug nach hinten ab.
    Padre Antonio wartete, als der Sarg an ihm vorübergezogen war, ob sich weitere Nonnen einfänden, doch es rührte sich nichts. Wo waren die restlichen Frauen? Zehn Chornonnen waren noch nicht einmal ein Fünftel der Belegschaft von San Lorenzo, die Conversas und Educandas nicht hinzugezählt.
    Padre Antonio löste sich aus seinem Versteck und äugte zuerst in den Gang. Vor der Kapelle blieb alles ruhig. Die Pforte war verschlossen worden. Also folgte er dem Trauerzug in gehörigemAbstand. Dieser bewegte sich durch die älteren Teile des Konvents, bis hinein in das Reich der Cellerarin. Sie kamen an Vorratsregalen vorbei und sogar an gärenden Kraut-und Gurkenfässern, deren Inhalt Schaumspuren auf den Holzabdeckungen hinterlassen hatte. Erst an einer Tür im hintersten Teil der Vorratskammern hielten sie inne. Wenn den Pater die Orientierung nicht verlassen hatte, führte diese aus dem Kloster hinaus – und zwar zum rückwärtigen Komplex, auf einen kleinen Garten, der nur über die Kanäle einsehbar und begehbar war. Wurden dort Gräber angelegt? Die Äbtissin schloss das Tor auf und entließ den Zug zusammen mit dem Sarg nach draußen.
    Die beiden Schwestern, die die Prozession angeführt hatten, blieben zurück, während die anderen den Sarg nach draußen begleiteten. Sorgfältig wurde die Tür hinter ihnen verschlossen.
    »Artella, wir werden immer weniger.« Suor Immacolata sagte den Satz, als wäre dies ein Vorwurf. »Dabei hatte ich große Hoffnung in Maria gesetzt.«
    Die Angesprochene drehte sich langsam zu der Äbtissin um. »Ihr solltet nicht verzagen. Seit Jahrhunderten wird die Zwölfzahl immer wieder einmal unterschritten und erneut ergänzt. Wir haben Zeit.«
    Suor Immacolata seufzte. »Seit die Provveditori den Konvent verunsichern, ist es schwierig geworden. Die neue Zeit, die neue Religion ... alles gerät aus den Fugen. Die Frauen laufen uns davon. Die Auswahl ist nicht leichter geworden.«
    »Dann müssen wir die Bedingungen ändern.« Signora Artella sagte das in einer Überzeugung, die eigentlich keinen Widerspruch duldete.
    »Nicht, solange ich hier das Sagen habe!«, fuhr ihr Suor Immacolata über den Mund. Der Pater wunderte sich, dass die sonst so resolute Nonne, die sich Signora nennen ließ, demütig den Kopf senkte.
    Die beiden Frauen bewegten sich in seine Richtung. Der Pater verbarg sich hinter einem Fass mit eingelegten Gurken, die bereits aus schäumten und hätten abgeschöpft werden müssen. Sicherlich kam die Mutter Cellerarin, die für diese

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