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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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Anders kann ich mir nicht erklären, wie es möglich war, dass ich danach noch Schlaf finden konnte. Aber als ich aufwachte, lag ich ausgestreckt in der Dunkelheit hinten im Flugzeug auf einem improvisierten Bett aus Reisetaschen.

    Und ich war nicht allein.
    Neben mir befand sich etwas Warmes. Etwas, das atmete.
    Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass der Flugzeugmotor nicht lief. Key war nirgendwo zu sehen. Es musste längst nach Mitternacht sein, denn um die Zeit waren wir zu unserem zweiten Tankstopp in der Nähe von Pierre, South Dakota, gelandet. Da hatte Key angekündigt, sie müsse ein Nickerchen machen - wozu sie uns ebenfalls riet -, bevor es über die Berge ging.
    Allmählich dämmerte mir, dass ich halb auf Wartan Asows festem, bäuchlings ausgestrecktem Körper lag. Er hatte einen Arm locker von hinten um mich gelegt und sein Gesicht in meinen Haaren vergraben. Ich überlegte, ob ich mich aus dieser zufälligen Umarmung herauswinden sollte, aber ich wollte ihn nicht wecken. Er brauchte seinen Schlaf mit Sicherheit ebenso nötig wie ich.
    Außerdem fühlte es sich richtig gut an.
    Was passiert zwischen mir und Wartan? , fragte ich mich.
    Wenn ich wartete, bis Key getankt oder das erledigt hatte, was auch immer sie erledigen musste, hatte ich wenigstens ein bisschen Zeit zum Nachdenken - ohne Motorenlärm, ohne das Trommelfeuer emotionaler Schocks, nur den gleichmäßigen Atem eines friedlich schlafenden Schachspielers in meinem Ohr.
    Und ich hatte eine Menge Stoff zum Nachdenken - das heißt, ich musste die Fäden eines verwickelten Knäuels des völlig Undenkbaren entwirren. Schließlich war es erst ein paar Stunden her, dass ich begriffen hatte, warum meine Mutter sich versteckte, warum sie alle aus der Deckung gelockt hatte und uns dennoch die ganze Zeit im Dunkeln tappen ließ - alle, bis auf Nokomis Key.
    All das hatte ich irgendwo zwischen unserem ersten heutigen
Halt in Moyaone, den Gebeinfeldern von Piscataway und unserem ersten Tankstopp in Duluth herausgefunden - also innerhalb von vier Stunden, nicht übel -, wo ich Key schließlich mit meiner Erkenntnis konfrontierte und sie zugegeben hatte, welche Rolle sie in Wirklichkeit spielte:
    Dass sie die weiße Dame war.
    »Ich habe nie behauptet, Galen hätte unrecht«, hatte Key protestiert, als ich sie daran erinnerte, dass sie es im Treppenhaus des Vier Jahreszeiten geleugnet hatte. »Ich habe lediglich gesagt: ›Hör nicht auf ihn!‹ Schließlich hatten all diese Dummköpfe ihre Chance in dem Spiel. Jetzt sind andere an der Reihe, den Spieß umzudrehen. Genau das haben deine Mutter und ich vor.«
    Meine Mutter und Nokomis Key. Einerseits fiel es mir schwer, mir diese beiden als Gespann vorzustellen, aber wenn ich ehrlich war, musste ich andererseits zugeben, dass während unserer ganzen Kindheit Key wohl die Tochter gewesen war, die meine Mutter sich immer gewünscht hatte.
    Die weiße Dame und die schwarze Dame steckten unter einer Decke!
    Und jetzt hatte ich dauernd eins dieser Liedchen aus Alice im Wunderland im Ohr, so etwas wie: Eine Ehre gar groß ist das Festgelag hier, bei Königin Weiß und Schwarz - und Königin mir.
    Aber egal, wie durcheinander ich war, ich war heilfroh, dass meine Mutter beschlossen hatte, »die Notbremse zu ziehen«, wie Key mir zu Beginn des Flugs erklärt hatte, und die Kräfte zu vereinen, was auch immer das mit sich bringen würde.
    Es war mir mittlerweile gleichgültig, ob meine Mutter ihre Brücken zu meinem Onkel abgebrochen hatte oder ob Key die Hoteltür verriegelt hatte, hinter der sich möglicherweise Spieler der weißen Mannschaft befanden. Den Grund dafür
würde ich später noch herausfinden. Jetzt im Moment war ich einfach nur erleichtert.
    Denn eins war mir endlich zu Bewusstsein gekommen: warum Key so ironisch gegrinst hatte und warum sie diese kryptischen Bemerkungen über die Grabstätte am Piscataway gemacht hatte. Und vor allem, warum wir dieses Gebeinfeld von Moyaone zuerst aufgesucht hatten. All diese Knochen und all diese Geheimnisse , hatte sie gesagt.
    Wenn mein Vater noch lebte, wie Key behauptete, und wenn meine Mutter davon Kenntnis hatte, dann hatte meine Mutter die ganze Zeit über nicht mich beschützt, ja nicht einmal sich selbst. Vielmehr war es mein Vater gewesen, der ständig in Gefahr geschwebt hatte.
    Und ich verstand jetzt auch, warum meine Mutter über all die Jahre, sogar schon vor Sagorsk, solche Angst gehabt hatte: Sie selbst hatte ihn in diese Lage gebracht. Die

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