Die Botschaft des Feuers
hatte ich den Mann schon seit Jahren nicht mehr gesehen, seit er ausgewandert war. Plötzlich wollte er, dass ich an einem großen Turnier teilnahm, das er organisiert hatte. Um mir die Entscheidung zu erleichtern, konnte er nicht widerstehen, mich daran zu erinnern, dass ich es nie zum Großmeister gebracht hätte, wenn er nicht so großzügig gewesen wäre während all der Jahre, in denen er mein Ersatzvater war. Er hat mir
unmissverständlich klargemacht, dass ich in seiner Schuld stand.
Aber kurz vor dem Turnier, nämlich bei meiner Ankunft im Mayfair Hotel, wo er wohnte, erfuhr ich, dass ich meine ›Schuld‹ auf ganz andere Weise begleichen sollte, dass es um etwas viel Wichtigeres ging. Er bat mich, ihm einen Gefallen zu tun. Und er zeigte mir einen Brief, den er von deiner Mutter erhalten hatte …«
Wartan unterbrach sich, weil mein Gesicht offensichtlich Bände sprach. Ich bedeutete ihm weiterzureden.
»Wie gesagt, Petrossian zeigte mir einen Brief von Kat Velis. Im Wesentlichen ging es darum, dass sie meinte, er besäße einige Teile, die deinem verstorbenen Vater gehört hätten. Er wollte, dass deine Mutter diese so schnell wie möglich erhielt. Aber sie wollte weder, dass mein Stiefvater sie persönlich an sie schickte, noch dass er sie während des Turniers Lily Rad aushändigte. Beide Möglichkeiten schienen deiner Mutter … ›unklug‹ zu sein, ich glaube, so hat sie sich ausgedrückt. Stattdessen hat sie vorgeschlagen, Petrossian solle mich damit beauftragen, diese Objekte anonym an Ladislaus Nim zu schicken.«
Die Schachbrettzeichnung .
Das Kärtchen.
Das Foto .
Jetzt fügte sich alles zu einem Bild zusammen. Aber auch wenn es theoretisch möglich war, dass Petrossian das Kärtchen aus meiner Manteltasche genommen hatte, wie sollte er die Schachbrettzeichnung in die Hände bekommen haben, von der Nim glaubte, sie sei in Tatjanas Besitz? Und vor allem: Woher hatte er das »einzige existierende Foto« der Familie meines Vaters?
Aber Wartan war noch nicht fertig. »In diesem Brief hat
deine Mutter mich eingeladen, nach dem Londoner Turnier gemeinsam mit Lily und Petrossian nach Colorado zu kommen, womit ich mich einverstanden erklärt habe. Sie meinte, dort könnten wir über alles sprechen.«
Nach einer Weile fuhr er fort: »Aber wie du ja weißt, wurde mein Stiefvater getötet, bevor das Turnier zu Ende war. Lily und ich hatten uns heimlich in London getroffen. Wir wussten beide nicht recht, wie viel wir den anderen preisgeben konnten von dem, was deine Mutter uns mitgeteilt hatte, da Lily sie nicht hatte erreichen können. Wir beide misstrauten jedoch Petrossian und Livingston. Und wir waren uns einig, dass Petrossians Verwicklung in das Spiel in Verbindung mit der kryptischen Partyeinladung deiner Mutter an uns alle den Schluss nahelegte, dass der Tod deines Vaters in Sagorsk möglicherweise kein Unfall gewesen war. Da ich als Einziger in Sagorsk anwesend war, als dein Vater starb, glaubte ich insgeheim, dass die Dinge, die ich verschickt hatte, irgendwie etwas mit seinem Tod zu tun hätten.
Als Lily und ich vom plötzlichen und unerklärlichen Tod meines Stiefvaters erfuhren, entschlossen wir uns, das Turnier zu verlassen. Und um möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, trafen wir die Entscheidung, nach New York zu fliegen und von da aus in Lilys Privatwagen nach Colorado zu fahren.«
Wartan schaute mich mit seinen dunklen Augen an. »Na ja, den Rest kennst du ja«, sagte er.
Nicht ganz.
Selbst wenn Wartan nicht wusste, wie Petrossian an das Schachbrett und die anderen Dinge in dem Paket gekommen war, das er im Auftrag meiner Mutter an Nim geschickt hatte, gab es immer noch ein wichtiges Thema, das bisher nicht zur Sprache gekommen war.
»Die schwarze Dame«, sagte ich. »Als wir in Maryland waren, hast du Key und mir erzählt, du hättest die Schachbrettzeichnung an Nim geschickt. Jetzt hast du erklärt, wie und warum du das getan hast. Dann hast du noch gesagt, dass deiner Meinung nach Taras Petrossian umgebracht wurde, weil er die schwarze Dame an meine Mutter geschickt hat.
Aber vorher hast du mir erzählt, du hättest die Figur zum letzten Mal vor zehn Jahren gesehen, in der Vitrine der Schatzkammer in Sagorsk. Wie ist sie in Petrossians Hände geraten? Und wie - und warum - sollte er etwas so Wertvolles und Gefährliches an meine Mutter schicken, wenn ihm bekannt war, dass sie vor lauter Angst nicht einmal wollte, dass er direkt mit ihr in Verbindung trat?«
»Ich
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