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Die Botschaft des Feuers

Die Botschaft des Feuers

Titel: Die Botschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Neville Charlotte Breuer Norbert Moellemann
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besaß einen Hohlraum, und in dem Hohlraum befand sich ein kleines Stück Pappe. Ich klaubte es heraus, rollte es auseinander und trat damit ans Fenster. Als ich die drei Worte las, wäre ich beinahe in Ohnmacht gefallen.
    OΠáCHO бeрéчьcя ΠOжáр
    Neben den Worten war das verblasste Bild eines Phönix zu erkennen - dasselbe Bild, das ich von dem trüben, grauenhaften Tag in Sagorsk in Erinnerung hatte. Es war die Karte, die ich damals aus meiner Manteltasche gezogen hatte. Der Vogel, umgeben von einem achtzackigen Stern, schien sich in die Lüfte zu erheben.
    Ich bekam kaum Luft. Aber ehe ich es schaffte, meine Fassung wiederzugewinnen - zu begreifen, was in aller Welt das zu bedeuten hatte -, hörte ich vor dem Haus ein Auto hupen.
    Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich, wie Keys Toyota im Schnee hinter meinem Wagen hielt. Key stieg auf der Fahrerseite aus, gefolgt von einem Mann im Pelzmantel, der vom Rücksitz kletterte und meiner Tante Lily, die ebenfalls in Pelze gehüllt war, die Beifahrertür öffnete. Dann kamen die drei auf das Haus zu.
    Hektisch stopfte ich die Schachfigur mitsamt der Karte zurück in meine Tasche, rannte in den Windfang, riss die Tür auf und starrte an den beiden Frauen vorbei den »Gigolo« meiner Tante Lily an.
    Als er sich auf der Schwelle den Schnee von Stiefeln und Mantel klopfte, begegneten sich unsere Blicke, und er lächelte mich an - es war ein kühles Lächeln, ein Lächeln, das Gefahr
verhieß. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich begriff, warum.
    Vor mir in der Tür zu dem in der Einsamkeit der Berge gelegenen Haus meiner Mutter stand, als wären wir allein in Zeit und Raum, der Mann, der meinen Vater auf dem Gewissen hatte.
    Der Junge, der das letzte Spiel gewonnen hatte. Wartan Asow.

Schwarz und Weiß
     
     
     
     
Die Symbolkraft, die bereits in den Quadraten des Spielbretts
angelegt ist, gewinnt in den Figuren ihre volle Bedeutung: Weiß
ist die Armee des Lichts, Schwarz ist die Armee der Finsternis …
und beide kämpfen im Namen eines Prinzips oder im Namen
des reinen Geistes und der dunklen Macht im Menschen, denn
dies sind die beiden Formen des »heiligen Kriegs«: der »weniger
heilige Krieg« und der »große heilige Krieg«, gemäß dem
Ausspruch des Propheten Mohammed …
In einem heiligen Krieg kann jeder Mitstreiter sich rechtmäßig
als Protagonist des Lichts betrachten, der gegen die Finsternis
kämpft, und dies wiederum ergibt sich aus der doppelten Bedeu-
tung jedes Symbols: Was sich für den einen als Ausdruck des
Geistes darstellt, kann in den Augen des anderen das Abbild der
dunklen Materie bedeuten.
    TITUS BURCKHARDT, The Symbolism of Chess
     
     
     
     
Everything looks worse in black and white. (In Schwarz-Weiß sieht alles schlimmer aus.)
    PAUL SIMON, Kodachrome

    Die Zeit stand still. Ich hatte jegliche Orientierung verloren.
    Mein Blick haftete an Wartan Asows Augen - dunkelviolett, fast schwarz und bodenlos. Ich erinnerte mich an diese Augen, wie sie mich über ein Schachbrett hinweg ansahen. Als ich ein Kind von elf Jahren gewesen war, hatten seine Augen mir keine Angst eingeflößt. Warum taten sie es jetzt?
    Ich spürte, wie ich ins Trudeln geriet - es war ein Schwindel, als würde ich in ein tiefes, dunkles Loch stürzen, aus dem es kein Entkommen gab. Genau wie in jenem schrecklichen Augenblick bei dem Spiel vor so vielen Jahren, als mir klar geworden war, was ich getan hatte. Damals spürte ich den Blick meines Vaters, während ich tiefer und tiefer in eine psychische Leere taumelte, unaufhaltsam wie der Junge mit den Flügeln, der sich der Sonne zu sehr genähert hatte.
    Wartan Asows Blick war starr wie immer, als er jetzt dort im Windfang stand und mir über Lilys und Nokomis’ Kopf hinweg direkt in die Augen sah, als wären wir allein auf der Welt, vereint in einem intimen Tanz, zwischen uns die schwarzen und weißen Quadrate eines Schachbretts. Was für ein Spiel hatten wir damals gespielt? Welches Spiel spielten wir jetzt?
    Nokomis brach den Bann. »Ihr kennt ja bestimmt den Spruch«, verkündete sie und legte den Kopf schief, um Lily und Wartan anzusehen. »Die Politik schafft seltsame Allianzen.«
    Sie hatte sich die Stiefel, den Anorak und die Mütze ausgezogen - und ihre lange schwarze Mähne befreit, die ihr wie ein Wasserfall über den Rücken fiel -, ging auf Socken in den Wohnraum und ließ sich aufs Sofa fallen. Mit einem schiefen Grinsen in meine Richtung fügte sie hinzu: »Oder passt hier

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