Die Bourne-Identität
Jackett durch die offene Tür vom Korridor hereinrannte. Er blieb stehen, starrte Bourne an; sein Blick wirkte verblüfft, aber ohne Argwohn. Das Telefon klingelte erneut, und der Mann trat schnell an den Schreibtisch und nahm den Hörer ab.
»»Allô?« Dann herrschte Schweigen, denn der Mann lauschte mit gesenktem Kopf. Er war braungebrannt und hatte eine muskulöse Figur. Auffallend waren die schmalen Lippen in seinem straffen Gesicht. Das kurz gestutzte Haar war dunkelbraun und sehr gepflegt. Die Muskeln seiner nackten Arme bewegten sich unter der Haut, als er den Hörer von einer Hand in die andere wechselte und mit harter Stimme sagte: »>Nicht hier ... Weiß nicht ... Ruf später an.« Er legte auf und sah Jason an. »Wo ist Jacqueline?«
»Etwas langsamer, bitte«, sagte Bourne in Englisch und tat, als hätte er nicht verstanden. »Mein Französisch ist nicht so gut.«
»Entschuldigung«, erwiderte der smarte Mann. »Ich habe Madame Lavier gesucht. Wo ist sie?«
»Damit beschäftigt, mein Konto zu plündern.« Jason lächelte und hob das Glas an die Lippen.
»Oh? Und wer sind Sie, Monsieur?
»Wer sind Sie?«
Der Mann studierte Bourne. »René Bergeron.«
»O Gott!« rief Jason aus. »Sie sucht Sie.« Bourne lächelte wieder. »Sollte ich mir von den Bahamas telegrafisch Geld schicken lassen müssen, sind Sie der Grund dafür.«
»Sie sind sehr liebenswürdig, Monsieur. Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich so hereingeplatzt bin.«
»Es war schon besser, daß Sie das Telefon abgenommen haben - bei meinem dürftigen Französisch.«
»Mit wem, Monsieur, habe ich die Ehre zu sprechen?«
»Briggs«, sagte Jason, der keine Ahnung hatte, woher der Name kam und erstaunt war, daß er sich so schnell einstellte, so natürlich. »Charles Briggs.«
»Ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Bergeron streckte ihm die Hand hin; sein Griff war fest. »Sie sagen, Jacqueline sucht mich?«
»Wegen mir, fürchte ich.«
»Ich werde sie finden.« Der Mann ging hinaus.
Bourne trat an den Schreibtisch, die Augen auf die Tür gerichtet, die Hand am Telefon. Er schob es beiseite. Er sah zwei Telefonnummern auf der Karteikarte: Die erste war ein Anschluß in Zürich, durch die Vorwahlnummer erkennbar, die zweite gehörte offensichtlich einem Teilnehmer in Paris.
Instinkt. Er hatte recht gehabt, dabei war ein Streifen durchsichtiges Klebeband die einzige Spur gewesen, die er gebraucht hatte. Er starrte die Nummern an, merkte sie sich und stellte das Telefon wieder zurück.
Er war gerade um den Schreibtisch herumgelaufen, als Madame Lavier mit einem halben Dutzend Kleidern über dem Arm ins Zimmer schwebte. »Ich bin René auf der Treppe begegnet. Er ist von meiner Wahl begeistert. Er hat mir auch gesagt, daß Ihr Name Briggs ist, Monsieur.«
»Ich hätte mich selbst vorstellen sollen«, meinte Bourne und erwiderte ihr Lächeln. »Aber ich glaube nicht, daß Sie mich gefragt haben.«
»Schon gut, Monsieur.« Sie legte die Kleider vorsichtig über einige Stühle. »Ich glaube wirklich, daß das, was ich hier habe, zu den schönsten Kreationen gehört, die René uns je gebracht hat.« »Ihnen gebracht hat? Er arbeitet also nicht hier?«
»Eine Redensart; sein Atelier ist am Ende des Korridors, aber es ist wie ein Heiligtum. Selbst ich zittere, wenn ich es betrete.«
»Die Modelle sind wirklich wunderschön«, schmeichelte Bourne der Frau und schritt von einem Kleid zum anderen. »Die nehme ich«, fügte er hinzu und deutete auf drei Kleider.
»Eine hervorragende Wahl, Monsieur Briggs!«
»Packen Sie sie mit den anderen ein, wenn Sie so liebenswürdig wären.«
»Natürlich. Die Dame ist zu beglückwünschen.«
»Sie ist ein guter Kamerad, aber ein verzogenes Kind, fürchte ich. Ich bin viel weggewesen und habe mich nur sehr selten um sie gekümmert; also denke ich, sollte ich Frieden machen. Das ist einer der Gründe, warum ich sie nach Cap-Ferrat geschickt habe.« Er lächelte und nahm seine Louis-Vuitton-Brieftasche heraus. »Würden Sie mir die Rechnung zusammenstellen?«
»Ich werde veranlassen, daß eines der Mädchen alles fertig macht.« Madame Lavier drückte einen Knopf an der Sprechanlage neben dem Telefon. Jason beobachtete sie scharf. Er war darauf vorbereitet, das Gespräch zu erwähnen, das Bergeron entgegengenommen hatte, falls der Frau auffiel, daß das Telefon nicht genau am gewohnten Platz stand. »Faites venir Janine - avec les robes. La facture aussi.« Sie stand auf. »Noch
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