Die Bourne-Identität
ineinander. O mein Gott, ich liebe ihn so ...
und die versuchen, ihn zu töten. Jason, mein Jason, die alle wollen deinen Tod! Warum?
Der konservativ gekleidete Mann in der Telefonvermittlung legte den roten Schalter um, der sämtliche Leitungen von draußen blockierte, so daß alle Anrufer nur das Besetztzeichen hörten. Er tat das ein- oder zweimal die Stunde, und zwar nur, um wieder Klarheit in seine Gedanken zu bekommen, wenn er pausenlos belangloses Zeug mit irgendwelchen eitlen Kundinnen schwatzen mußte, die diesen oder jenen Extrawunsch erfüllt haben wollten.
An die Ironie seines Schicksals hatte er oft denken müssen. Es lag nämlich gar nicht so viele Jahre zurück, da hatten andere für ihn in einer Telefonzentrale gearbeitet: in seinen Firmen in Saigon und in der Verwaltung seiner riesigen Plantage im Mekong-Delta.
Er hörte Lachen auf der Treppe und blickte auf. Jacqueline verließ früh den Laden, begleitet wohl von einem ihrer prominenten und reichen Bekannten. Er konnte das Gesicht des Mannes an ihrer Seite nicht sehen; denn er hatte den Kopf seltsam abgewandt.
Dann sah er ihn einen Augenblick lang; ihre Blicke trafen sich. Der Kontakt war kurz und explosiv. Plötzlich stockte dem grauhaarigen Mann der Atem; er schwebte in einem Augenblick der Ungläubigkeit, starrte ein Gesicht an, das er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte und damals fast nur in der Dunkelheit, denn sie hatten nachts gearbeitet ...
O mein Gott - er war es!
Der Mann erhob sich wie in Trance von seinem Stuhl. Er zog den Kopfhörer herunter und ließ ihn zu Boden fallen. Auf der Schalttafel leuchteten ankommende Gespräche auf, die keine Verbindung bekamen. Er stieg von der Plattform herunter und ging schnell auf den Mittelgang zu, um Madame Laviers Begleiter besser erkennen zu können, den Geist, der ein Killer war - skrupelloser als alle anderen Männer, die er je gekannt hatte. Sie hatten gesagt, daß es geschehen könnte, aber er hatte ihnen nie geglaubt.
Jetzt sah er ihn deutlich. Sie liefen durch den Mittelgang auf den Eingang zu. Er mußte sie aufhalten. Aber jetzt hinauszurennen und zu schreien, würde den Tod bedeuten. Eine Kugel in den Kopf.
Sie erreichten die Tür; er zog sie auf, ließ ihr den Vortritt. Der grauhaarige Mann schoß quer über den Gang zum Schaufenster. Draußen auf der Straße hatte er ein Taxi herbeigewinkt. Er öffnete die Tür, und ließ Jacqueline einsteigen.
Der grauhaarige Mann drehte sich um und rannte, so schnell er konnte, zur Freitreppe, hastete die Stufen hinauf, raste den Korridor hinunter zu der offenen Ateliertür. »René! René!« schrie er.
Bergeron blickte erstaunt von seinem Zeichentisch auf. »Was ist denn?«
»Der Mann, der mit Jacqueline zusammen ist, wer ist er? Wie lange war er hier?«
»Oh. Sie meinen wahrscheinlich den Amerikaner«, sagte der Designer. »Er heißt Briggs. Ein gemästetes Kalb; gut für unseren Umsatz.« »Wohin sind sie?«
»Ich wußte nicht, daß sie weggegangen sind.« »Sie ist gerade mit ihm in ein Taxi gestiegen.« »Unsere Jacqueline weiß schon, was sie tut.« »Sie müssen sie finden!« »Warum?«
»Er weiß es! Er wird sie töten!« »Was?«
»Das ist er! Das schwöre ich! Dieser Mann ist Cain!«
15.
»Der Mann ist Cain«, sagte Colonel Jack Manning herausfordernd, als hätte er erwartet, daß ihm wenigstens drei der Männer in Zivil widersprächen, die mit ihm an einem Konferenztisch im Pentagon saßen. Jeder von ihnen war älter als er, und jeder hielt sich für erfahrener. Keiner war bereit zuzugeben, daß die Army Informationen beschafft hatte, die seine eigene Organisation nicht hatte beibringen können. Den Ausführungen des Colonels lauschte noch ein weiterer Zivilist, aber seine Ansicht zählte nicht. Er war Mitglied eines Kongreßausschusses, der sich mit den Pannen ihrer Organisationen befaßte, und wurde daher sehr entgegenkommend behandelt, aber nicht ernstgenommen. »Wenn wir nicht etwas unternehmen«, fuhr Manning fort, »selbst auf das Risiko hin, alles preiszugeben, was wir erfahren haben, könnte er uns erneut durchs Netz schlüpfen. Vor elf Tagen war er in Zürich. Wir sind überzeugt, daß er sich immer noch dort aufhält. Kein Zweifel, Gentlemen, er ist Cain.«
»Das ist eine mutige Behauptung«, sagte der fast kahlköpfige Akademiker mit dem Vogelgesicht, der Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat war, und überflog erneut das fotokopierte Blatt mit der Zusammenfassung der Vorgänge in Zürich, das jeder Delegierte
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