Die Bourne-Identität
am Tisch bekommen hatte. Sein Name war Alfred Gillette, er war Experte für Personalbeurteilung und -auswahl. Das Pentagon schätzte seine hohe Intelligenz. Außerdem hatte er Freunde, die einflußreiche Posten bekleideten.
»Ich finde das sehr merkwürdig«, fügte Peter Knowlton, stellvertretender Direktor des CIA, hinzu. Der Mittfünfziger war betont korrekt gekleidet. Fast bieder wirkte sein Äußeres. »Nach unseren Informationen hat sich Cain zum gleichen Zeitpunkt, nämlich vor elf Tagen, in Brüssel, nicht in Zürich aufgehalten. Und unsere Gewährsleute irren sich selten.«
»Hört, Hört!« sagte der dritte Zivilist, der einzige Mann am Tisch, den Manning wirklich respektierte. Er war der älteste von ihnen und hieß David Abbott. Der ehemalige Olympiateilnehmer im Schwimmen besaß einen Intellekt, der seinen athletischen Fähigkeiten in nichts nachstand. Er war jetzt Ende Sechzig und noch aufrecht, sein Geist war so scharf wie eh und je. Nur die vielen Falten in seinem Gesicht verrieten sein Alter und deuteten auf ein Leben hin, das von vielen Spannungen geprägt worden war. Er weiß, wovon er redet, dachte der Colonel. Obwohl Abbott im Augenblick Mitglied des allmächtigen Vierziger-Ausschusses war, hatte er dem CIA von Beginn an angehört. »Der schweigende Mönch des Geheimdienstes« hatten ihn seine Kollegen genannt. »Zu meiner Zeit beim CIA«, fuhr Abbott fort und lächelte, »waren Informationen der Gewährsleute oft genug widersprüchlich.«
»Wir haben andere Methoden der Überprüfung«, entgegnete der stellvertretende Direktor. »Ich will nicht respektlos sein, Mr. Abbott, aber unsere Sendeeinrichtungen arbeiten praktisch ohne Zeitverlust.«
»Das sind Geräte, keine Bestätigung. Nun gut. Wie es scheint, ist nicht klar, ob der Mann sich zu dem fraglichen Zeitpunkt in Brüssel oder Zürich aufgehalten hat.«
»Die Beweise für Brüssel sind einwandfrei«, beharrte Knowlton entschieden.
»Wir wollen sie hören«, sagte Gillette und schob sich die Brille zurecht. »Wir sollten uns die Zusammenfassung noch einmal vornehmen; sie liegt ja vor uns. Auch wir haben eine neue Erkenntnis gewonnen. Die Sache geschah vor ungefähr sechs Monaten.«
Der silberhaarige Abbott sah zu Gillette hinüber. »Vor sechs Monaten? Ich kann mich nicht erinnern, daß der Nationale Sicherheitsrat vor einem halben Jahr irgend etwas geliefert hätte, was Cain betrifft.«
»Unsere Information war nicht in allen Einzelheiten bestätigt«, erwiderte Gillette. »Wir versuchen, den Ausschuß nicht mit unbestätigten Daten zu belasten.«
»Mr. Walters«, sagte der Coionel und sah zum Mitglied des Kongreßausschusses hinüber, »haben Sie irgendwelche Fragen?«
»Verdammt, ja«, meinte der Politiker aus dem Staate Tennessee gedehnt, und seine intelligenten Augen musterten die Gesichter der anderen drei Teilnehmer. »Aber da ich hier neu bin, sollten Sie ruhig weitermachen, damit ich weiß, wo ich meine Fragen ansetzen muß.«
»Sehr gut, Sir«, sagte Manning und nickte Knowlton vom CIA zu. »Was haben Sie da in bezug auf Brüssel vor elf Tagen?«
»Ein Mann ist in der Place Fontainas getötet worden, der im Diamantenhandel zwischen Moskau und dem Westen tätig war, im Untergrund natürlich. Er wickelte seine Geschäfte über ein Zweigbüro der sowjetischen Firma Russolmaz in Genf ab, die als Makler für solche Geschäfte tätig ist. Wir wissen, daß das eine der Methoden ist, mit der Cain sich seine Mittel beschafft.«
»Welche Verbindung besteht zwischen dem Mord und Cain?« fragte der mißtrauische Gillette.
»Eine direkte. Die Waffe war eine lange Nadel, die um die Mittagszeit auf einem überfüllten Platz mit chirurgischer Präzision dem Opfer ins Herz gestochen wurde. Das ist nicht das erste Mal, daß Cain sich dieser Methode bedient.«
»Stimmt«, sagte Abbott. »Auf die gleiche Weise sind in London vor einem Jahr zwei Rumänen getötet worden, im Abstand von nur ein paar Wochen. Beide Morde ließen sich auf Cain zurückführen.«
»Zurückführen, aber nicht bestätigen«, wandte Colonel Manning ein. »Es waren hochrangige Politiker, die übergelaufen waren; es ist ebensogut möglich, daß der KGB hinter den Morden steht.«
»Oder Cain, was für die Sowjets wesentlich weniger riskant wäre«, meinte Knowlton.
»Oder Carlos«, fügte Gillette hinzu, und seine Stimme wurde lauter. »Weder Carlos noch Cain machen sich Gedanken über ideologische Dinge; sie sind beide käuflich. Wie kommt es eigentlich, daß
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