Die Bourne-Identität
»Ja«, sagte er. »Aber alleine. Nicht mit dir.«
Marie inhalierte den Rauch ihrer Zigarette und musterte ihn ängstlich. Ihre Hand zitterte. »Ich verstehe. Das ist dann also deine Entscheidung?«
»Das muß sie sein.«
»Du wirst verschwinden wie ein Held, damit ich nicht mit hineingezogen werde.«
»Das muß ich.«
»Vielen Dank. Und wer, zum Teufel, bildest du dir eigentlich ein, daß du bist?«
»Was?«
»Wer, zum Teufel, bildest du dir eigentlich ein, daß du bistl«
»Ich bin ein Mann, den sie Cain nennen. Ich werde von Regierungen - von der Polizei - von Asien bis Europa gesucht. Männer in Washington wollen mich töten aufgrund dessen, was sie glauben, das ich über dieses Medusa weiß; ein Terrorist namens Carlos möchte, daß ich eine Kugel in den Hals bekomme, als Rache für das, was ich ihm einmal angetan habe. Denk einen Augenblick darüber nach. Wie lange glaubst du eigentlich, daß ich meine Flucht fortsetzen kann, ehe mich jemand von diesen Jägern, die mich durch die ganze Welt hetzen, findet, mich in eine Falle lockt, mich tötet? Willst du, daß dein Leben so endet?«
»Du lieber Gott, nein!« schrie Marie. »Ich sehne mich danach, den Rest meines Lebens in einem Schweizer Gefängnis zu verbringen oder wegen Dingen gehängt zu werden, mit denen ich nicht das geringste zu tun habe, die ich nie tat!«
»Es gibt eine Möglichkeit, dir zu helfen.«
»Wie?« Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus.
»Um Himmels willen, was nützt das schon? Ein Geständnis. Vielleicht stelle ich mich auch, ich weiß noch nicht, aber ich kann es jedenfalls tun! Ich kann dein Leben wieder in Ordnung bringen. Ich muß es!«
»Aber nicht so.«
»Warum nicht?«
Marie streichelte sein Gesicht und ihre Stimme war weich. »Weil ich gerade wieder bewiesen habe, worauf ich hinauswill. Der Mann namens Cain würde nie das tun, was du gerade angeboten hast. Für niemanden.«
»Ich bin Cain!«
»Selbst wenn man mich zwingen würde, zuzugeben, daß du es warst, bist du es jetzt nicht.«
»Die allerletzte Rehabilitierung? Eine selbst zugefügte Lobotomie? Totaler Gedächtnisverlust? Das entspricht zufälligerweise der Wahrheit, wird aber niemanden aufhalten, der nach mir sucht. Und es wird ihn - oder sie - nicht daran hindern, einen Abzug zu betätigen.«
»Das ist eine Lösung, die ich ablehne.«
»Dann siehst du die Fakten nicht.«
»Ich sehe wohl Fakten, zwei, die du anscheinend außer acht gelassen hast, und die mein Leben veränderten, weil ich schuld daran bin. Zwei Männer sind auf brutale Art getötet worden, weil sie zwischen dir und einer Botschaft standen, die jemand versuchte dir zukommen zu lassen. Durch mich.«
»Du hast ja Corbeliers Botschaft gesehen. Wie viele Kugellöcher waren es denn? Zehn, fünfzehn?«
»Dann hat man ihn mißbraucht! Du hast ihn am Telefon gehört und ich auch. Er hat nicht gelogen; er hat versucht, uns zu helfen. Wenn nicht dir, dann ganz sicher mir.«
»Das ist ... möglich.«
»Alles ist möglich. Ich habe auch keine Antwort, Jason. Es sind Dinge, die sich nicht erklären lassen - die aber erklärt werden müssen. Du hast nie Sehnsucht verspürt nach demjenigen, wie du sagst, der du vielleicht einmal gewesen sein könntest. Und das paßt nicht in das Bild jenes Mannes. Oder du bist nicht jener Mann.«
»Ich bin es aber.«
»Hör mir zu. Du bist mir sehr lieb, mein Schatz, und das könnte mich blenden, das weiß ich. Aber ich kenne mich. Ich bin kein Blumenkind mit großen, verträumten Augen; ich habe ein Stück von dieser Welt gesehen, und ich schau mir die Leute, die mir gefallen, sehr genau an. Vielleicht, um mich immer wieder davon zu überzeugen, daß mein Instinkt mich nicht getrogen hat ...« Sie hielt einen Augenblick inne und trat einen Schritt zurück. »Ich habe zugesehen, wie ein Mann gequält wurde - und sich selbst gequält hat - und nicht bereit war, sich aufzulehnen. Mag sein, daß du es in deinem Inneren tust, aber du läßt nicht zu, daß es jemanden gibt, der mit dir teilen möchte. Statt dessen bohrst und gräbst du in dir und versuchst zu begreifen. Und das, mein Freund, ist eben nicht das Wesen eines kaltblütigen Killers; ganz und gar nicht. Ich weiß nicht, was du vorher warst und welcher Verbrechen du dich damals schuldig gemacht hast, aber sie spielen jetzt keine Rolle. Ich kenne mich da genau. Ich könnte den Mann nicht lieben, von dem du sagst, daß du es bist. Ich liebe den Mann, von dem ich weiß, daß du es bist. Das hast du mir
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