Die Bourne-Identität
Mademoiselle Dolbert an ihrem Arbeitsplatz anrief und ihr sagte, ein Herr in einer Chauffeur-Limousine hätte schon zweimal nach ihr gefragt. Der Herr sei wieder da; was der Hausmeister tun solle?
Ein kleines schwarzes Taxi hielt am Randstein, und eine erregte, unnatürlich bleich wirkende Janine Dolbert sprang heraus. Jason eilte aus der Türnische und hielt sie wenige Fuß vor dem Eingang, noch auf dem Bürgersteig, auf.
»Das ging aber schnell«, sagte er und nahm ihren Ellbogen. »Wirklich reizend, Sie wiederzusehen. Sie waren neulich so hilfsbereit.«
Janine Dolbert starrte ihn an, die Lippen leicht geöffnet, eine Regung des Erkennens, dann Erstaunen. »»Sie. Der Amerikaner«, sagte sie in englischer Sprache. »Monsieur Briggs, nicht wahr? Sind Sie das, der -«
»Ich habe meinem Chauffeur gesagt, er könne sich eine Stunde freinehmen. Ich wollte Sie alleine sprechen.«
»Mich? Weshalb sollten Sie denn mich sprechen wollen?«
»Wissen Sie das nicht? Weshalb sind Sie dann so schnell gekommen?«
Die großen Augen unter ihrem kurzen Haar fixierten ihn, und ihr bleiches Gesicht wirkte im Tageslicht noch bleicher. »Sie kommen also vom House of Azur?« fragte sie vorsichtig.
»Könnte sein.« Bourne verstärkte den Druck an ihrem Ellbogen. »Und?«
»Ich habe das geliefert, was ich versprochen habe. Mehr geht nicht, darüber waren wir uns einig.«
»Sind Sie sicher?«
»Seien Sie doch kein Idiot! Sie kennen die Pariser Couture nicht. Sie kennen nicht die Pläne und Intrigen, die in jedem Studio geschmiedet werden. - Und wenn dann die Herbstlinie herauskommt und Sie die Hälfte von Bergerons Entwürfen vor ihm vorführen, wie lange glauben Sie dann, daß ich noch in Les Classiques bleiben kann?
Ich bin das zweite Mädchen der Lavier, eine der wenigen, die Zugang zu ihrem Büro haben. Es wäre besser, Sie würden sich um mich kümmern, wie Sie das versprochen haben. In einem Ihrer Geschäfte in Los Angeles.«
»Machen wir doch einen kleinen Spaziergang«, sagte Jason und schob sie sachte vor sich her. »Sie haben den falschen Mann, Janine. Ich habe nie vom House of Azur gehört und habe nicht das geringste Interesse an gestohlenen Entwürfen -«
»O mein Gott ... «
»Gehen Sie weiter.« Bourne drückte ihren Arm. »Ich habe gesagt, daß ich mit Ihnen sprechen möchte.«
»Worüber? Was wollen Sie von mir? Woher haben Sie meinen Namen?« Sie redete jetzt schneller, und die einzelnen Sätze überschlugen sich. »Ich bin heute früher Mittagessen gegangen und muß deshalb sofort wieder zurück; wir haben heute sehr viel Arbeit. Bitte, Sie tun mir weh.«
»Entschuldigen Sie.«
»Wie ich schon sagte, es war unsinnig. Wir hatten Gerüchte gehört; ich wollte Sie auf die Probe stellen. Das war es, was ich getan habe; Sie auf die Probe stellen!«
»Das klingt sehr überzeugend. Ich akzeptiere das, was Sie sagen.«
»Ich bin eine loyale Mitarbeiterin von Les Classiques. Das bin ich immer gewesen.«
»Das ist eine sehr gute Eigenschaft, Janine. Ich bewundere Loyalität. Ich habe das neulich zu ... wie hieß er doch? ... diesem netten Mann an der Telefonvermittlung gesagt. Wie heißt er? Ich habe den Namen vergessen.«
»Philippe«, sagte die Verkäuferin verstört, unsicher.
»Philippe d'Anjou.«
»Ja, richtig, vielen Dank.« Sie erreichten eine enge, kopfsteingepflasterte Gasse zwischen zwei Häusern. Jason führte sie hinein. »Gehen wir doch hier hinein, damit wir von der Straße wegkommen. Keine Sorge, Sie kommen nicht zu spät. Ich will Sie nur noch um ein paar Minuten bitten.« Sie gingen zehn Schritte in der schmalen Gasse. Bourne blieb stehen; Janine Dolbert preßte den Rücken gegen die Ziegelwand. »Zigarette?« fragte er.
»Ja, danke.«
Er gab ihr Feuer und stellte fest, daß ihre Hand zitterte. »Sind Sie jetzt wieder ruhiger?«
»Ja. Nein, eigentlich nicht. Was wollen Sie, Monsieur Briggs?«
»Zunächst einmal heiße ich nicht Briggs, aber das sollten Sie ja wissen.«
»Das weiß ich nicht. Warum sollte ich?«
»Ich war sicher, daß das erste Mädchen der Lavier Ihnen das gesagt hätte.«
»Monique?«
»Bitte Nachnamen. Das muß alles ganz genau sein.«
»Brielle also«, sagte Janine und runzelte die Stirn. »Kennt sie Sie?«
»Fragen Sie sie doch.«
»Wie Sie wünschen. Also, was wollen Sie, Monsieur?«
Jason schüttelte den Kopf. »Sie wissen es also wirklich nicht, wie? Drei Viertel der Angestellten im Les Classiques arbeiten mit uns, und eine der intelligentesten ist nicht
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