Die Bourne-Identität
Theke stand. Er konnte jetzt den Citroën gut sehen; das Taxi, das man zum Parc Monceau gerufen hatte, war nicht mehr da, Villiers' Frau hatte es weggeschickt. Wieso eigentlich, dachte Bourne; man fand hier nicht so leicht ein Taxi.
Drei Minuten später war ihm der Grund klar ... er beunruhigte ihn. Villiers' Frau kam aus der Kirche, sie ging schnell, und ihre hochgewachsene, statuenhafte Gestalt erregte bewundernde Blicke der Passanten. Sie ging direkt auf den Citroën zu, sagte etwas zu den Männern auf den Vordersitzen und öffnete dann die hintere Türe.
Eine Handtasche. Eine weiße Handtasche! Villiers' Frau trug jetzt die Tasche, die noch vor wenigen Minuten Jacqueline Laviers Hand umkrampft hatte. Sie stieg auf den Hintersitz des Citroën und zog die Türe zu. Der Motor wurde angelassen und heulte dann auf. Ein Vorspiel zu einer schnellen, plötzlichen Abfahrt. Als der Wagen davonrollte, wurde der glänzende Metallstab, der die Antenne des Wagens darstellte, kürzer und kürzer, zog sich in den Kofferraum zurück.
Wo war Jacqueline Lavier? Warum hatte sie ihre Handtasche Villiers' Frau gegeben? Bourne wollte sich schon in Bewegung setzen, blieb dann aber stehen, von einem Instinkt gewarnt. Eine Falle? Wenn man der Lavier folgte, war es durchaus möglich, daß diejenigen, die sie beobachteten, ihrerseits beobachtet wurden - und zwar nicht durch ihn.
Er blickte die Straße hinauf und hinunter, studierte die Fußgänger auf dem Bürgersteig, dann jeden Wagen, jeden Fahrer und jeden Passagier, und hielt Ausschau nach einem Gesicht, das nicht hierher gehörte, so wie Villiers gesagt hatte, daß die zwei Männer in dem Citroën nicht in den Parc Monceau gehört hatten.
Aber da war nichts, das die Parade störte, keine unsteten Augen, keine Hände, die sich in überdimensionierten Taschen versteckt hielten. Er übertrieb seine Vorsicht; Neuilly-sur-Seine war keine Falle für ihn. Er entfernte sich von der Theke und ging auf die Kirche zu.
Dann blieb er stehen, so, als wären seine Füße plötzlich im Pflaster verwurzelt. Ein Priester kam aus der Kirche, ein Priester in einem schwarzen Anzug mit gestärktem weißen Kragen und einem schwarzen Hut, der sein Gesicht teilweise verdeckte. Er hatte ihn schon einmal gesehen. Nicht vor langer Zeit, nicht in einer lang vergessenen Vergangenheit, sondern erst vor kurzem, vor ganz kurzer Zeit. Tage ... Stunden vielleicht. Doch wo war das gewesen? Wo? Er kannte ihn! Alles an ihm war ihm vertraut, sein Gang, die Art, wie er den Kopf etwas zur Seite neigte, die breiten Schultern, die zu den fließenden Bewegungen seines Körpers paßten. Er war ein Mann mit einer Pistole! Doch wo war das gewesen?
Zürich? Das >Carillon du Lac Es waren zwei Männer, die sich den Weg durch die Menge bahnten. Einer trug eine goldgeränderte Brille; das war er nicht. Jener Mann war tot. War es jener andere Mann im >Carillon du Lac Oder am Mythen-Quai? Ein Tier, das unartikuliert stöhnte, und dessen Augen von der wilden Leidenschaft verzerrt waren. War er es? Oder jemand anderer? Ein Mann in einem dunklen Mantel im Korridor der >Auberge du Coin<, wo die Lichter plötzlich verloschen und der Lichtschein vom Treppenhaus die Falle beleuchtete. Eine umgekehrte Falle, wo jener Mann in der Dunkelheit seine Waffe auf Umrisse abgefeuert hatte, die er für menschlich hielt. War es jener Mann? Bourne wußte es nicht, er wußte nur, daß er den Priester schon einmal gesehen hatte, aber nicht als Priester. Als einen Mann mit einer Waffe.
Der Killer im Priesteranzug erreichte das Ende des Plattenweges und bog am Sockel des Betonheiligen nach rechts. Einen kurzen Augenblick lang fiel ein Sonnenstrahl auf sein Gesicht. Jason erstarrte; die Haut. Die Haut des Killers war dunkel, nicht von der Sonne gebräunt, sondern von Geburt an. Eine südländische Haut, deren Färbung über Generationen entstanden war, der Abkömmling von Leuten, die immer am Mittelmeer gelebt hatten. Vorfahren, die über den Erdball gewandert waren ... über die Meere.
Bourne begriff plötzlich, er war vor Schreck wie erstarrt. Der dort vor ihm stand, war kein anderer als Iljitsch Ramirez Sanchez.
Carlos. Carlos in die Falle locken. Cain ist für Charlie und Delta ist für Cain.
Jason riß an seinem Jackett, seine rechte Hand umfaßte den Kolben der Pistole, die in seinem Gürtel steckte. Er fing an, aufs Pflaster hinauszurennen, stieß mit den Passanten zusammen, stieß mit der Schulter einen Straßenhändler zur Seite, taumelte
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