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Die Bourne-Identität

Titel: Die Bourne-Identität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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hatte sein müssen, so war jetzt die Zeit dafür; der Mann von Treadstone mußte das begreifen. Er mühte sich verzweifelt ab, den Bildern, die in seiner Erinnerung auftauchten, einen Sinn zu geben. Er wußte ja, daß er unschuldig war, immer wieder hämmerte er es sich ein, er war nicht übergelaufen, war nicht geflohen - er war ein Krüppel; so einfach war das.
    Er mußte den Mann von Treadstone finden. Wo inmitten dieser umfriedeten Flächen des Schweigens würde er stecken? Wo erwartete er ihn? Jason hatte den Friedhof lange vor der verabredeten Zeit erreicht, der Chevrolet war ein schnellerer Wagen als der heruntergekommene Renault. Er hatte das Friedhofstor passiert, war ein paar hundert Meter die Straße hinuntergefahren, um so zu parken, daß man ihn nicht sehen konnte. Als er dann zum Tor zurückging, hatte es zu regnen angefangen. Es war ein kalter Regen, ein Märzregen, aber ein leiser Regen, der das Schweigen kaum störte. Er kam an einer Gruppe von Gräbern vorbei, die von einem niedrigen schmiedeeisernen Geländer umgeben war, und aus deren Mitte sich ein Alabasterkreuz acht Fuß in die Höhe reckte. Er blieb einen Augenblick lang davor stehen. War er schon einmal hiergewesen? Öffnete sich da in der Ferne wieder eine Türe für ihn? Oder suchte er nur verbissen danach, eine zu finden? Und dann kam es ihm plötzlich. Es war nicht diese Gruppe von Grabsteinen, nicht das hochragende Alabasterkreuz, und auch nicht das niedrige Eisengeländer, es war der Regen. Ein plötzlicher Regenfall. Eine große Zahl von Trauernden in schwarzer Kleidung, die sich um eine Grabstelle versammelt hatten, das Knacken von Schirmen, und zwei Männer, die aufeinander zugingen, deren Schirme sich berührten, kurze, leise gesprochene Entschuldigungsworte, und dann ein länglicher brauner Umschlag, der den Besitzer wechselte, von Tasche zu Tasche ging, unbemerkt von den Trauernden.
    Und da war noch etwas. Ein Bild, das sich aus einem anderen Bild löste, das er erst vor wenigen Minuten gesehen hatte. Regen, der an weißem Marmor abfloß; nicht kalter, leichter Regen, sondern ein Wolkenbruch, der auf die glänzende weiße Fläche herunterprasselte - Die Säulen ...
    Reihen von Säulen ringsum. Auf der anderen Seite des Hügels. In der Nahe der Tore. Ein weißes Mausoleum, irgend jemand hatte sich eine naturgetreu verkleinerte Version des Parthenon gebaut. Vor höchstens fünf Minuten war er daran vorbeigekommen, hatte einen Blick darauf geworfen, es aber nicht gesehen. Das war der Ort, wo es plötzlich zu regnen begonnen hatte, wo sich die zwei Schirme berührt hatten und der längliche Umschlag den Besitzer gewechselt hatte. Er blickte mit zusammengekniffenen Augen auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr. Es war jetzt vierzehn Minuten nach eins; er fing an, den Weg hinaufzurennen. Er war noch früh dran; er hatte noch Zeit, die Scheinwerferkegel eines Wagens zu sehen, oder das kurze Flackern eines angerissenen Streichholzes, oder ...
    Der Lichtschein einer Taschenlampe. Dort am Fuße des Hügels - der Lichtkegel bewegte sich auf und ab und wanderte immer wieder zu den Toren zurück, als machte sich der Besitzer der Taschenlampe Sorgen, jemand könnte dort kommen. Bourne empfand den beinahe unwiderstehlichen Drang, zwischen den Reihen von Gräbern und Statuen hinunterzurennen und so laut er konnte zu schreien: Ich bin hier! Ich bin es. Ich verstehe Ihre Nachricht. Ich bin zurückgekommen! Ich habe Ihnen so viel zu sagen ... und es gibt so viel, das Sie mir sagen müssen!
    Aber er schrie nicht und rannte auch nicht. Wichtiger als alles andere war, daß er die absolute Kontrolle behielt und auch erkennen ließ, denn das, was ihm zugestoßen war, war unkontrollierbar. Er mußte den Eindruck erwecken, völlig klar und Herr seiner selbst zu sein - innerhalb der Grenzen seiner Erinnerung ohne Makel. Er begann, in dem kalten, leichten Regen den Hügel hinunterzugehen und wünschte sich, sein Gefühl, es eilig zu haben, hätte ihm erlaubt, an eine Taschenlampe zu denken. Die Taschenlampe. Irgend etwas an dem Lichtstrahl, fünfhundert Meter unter ihm, war seltsam. Er bewegte sich in kurzen, senkrechten Strichen, wie um etwas zu betonen ... als redete der Mann mit der Lampe eindringlich auf einen anderen ein.
    Und so war es auch. Jason kauerte sich nieder und spähte durch den Regen. Er kroch nach vorne auf den Lichtstrahl zu, dicht an den Boden gedrückt und legte in wenigen Sekunden praktisch hundert Fuß zurück. Jetzt konnte er deutlicher

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