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Die Bräute des Satans

Die Bräute des Satans

Titel: Die Bräute des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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sich dem Cellerarius zu, der unter Missachtung sämtlicher Anstandsregeln ins Skriptorium gestürmt war. »Stets zu Diensten«, entgegnete der hagere Zisterzienserbruder mit der ergrauten Tonsur, zu dessen hervorstechendsten Eigenschaften seine wahrhaft stoische Gelassenheit zählte. »Womit kann ich dienen?«
    Außer sich vor Bestürzung, knallte Bruder Gervasius, der übergewichtige Cellerar, die Tür des Skriptoriums einfach zu, fuchtelte wie ein Klageweib mit den Händen herum und lief ruhelos hin und her. »Einfach … einfach unfasslich!«, stammelte er und ließ seinen Worten eine Prophezeiung apokalyptischen Ausmaßes folgen: »Eine Heimsuchung, wogegen die zehn biblischen Plagen wie ein laues Lüftchen erscheinen.«
    »Ich muss gestehen, Ihr macht mich neugierig, Cellerarius«, entgegnete Bruder Hilpert, die Hand auf sein Schreibpult gestützt. Und fügte mit unterschwelliger Ironie hinzu: »Wenn jemand wie Ihr sein Tagewerk ruhen lässt, muss schon allerhand passiert sein.«
    Bruder Gervasius, dessen Leibesfülle in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seiner Auffassungsgabe stand, schnappte nach Luft, blähte die Backen und ließ den angestauten Atem entweichen. »Das könnt Ihr laut sagen!«, pflichtete er Bruder Hilpert bei und fuhr mit der Handfläche über beide Wangen, deren Rötung den passionierten Weintrinker verriet. »Schließlich hat man als Cellerar eine Menge zu tun.«
    »Amen!«, warf der Rubrikator ein, dessen Arbeitsplatz sich an der Stirnseite von Bruder Hilperts Stehpult befand. Der zweiundzwanzigjährige Rheinländer, dem es oblag, beschriebene Pergamentbögen mit Initialen zu versehen, tauchte die Feder in eines der Rinderhörner auf seinem Pult und fuhr ohne aufzuschauen mit seiner Tätigkeit fort. Er war ein akribischer Arbeiter, verstand es meisterhaft, die verschiedensten Farbtöne zu kreieren. Berühmt-berüchtigt für seinen trockenen Humor, hatte es sich der Mönch mit den abstehenden Ohren folglich nicht entgehen lassen, den Auftritt des Cellerars auf die ihm eigene Weise zu kommentieren.
    Da der Mimik des Rubrikators nichts hinzuzufügen war, verkniff sich Bruder Hilpert jede weitere Bemerkung und fragte: »Und was, Bruder Gervasius, hat dazu geführt, dass Ihr Euch über Gebühr echauffiert?«
    »Die Hühner!«, japste der Cellerar und watschelte wehklagend hin und her.
    »Hört, hört!«, setzte der Illuminator, ein begnadeter Künstler, mit vollendeter Unschuldsmiene nach, während er ein verschnörkeltes H mit Blattgold bestrich. Ein wahrer Meister seines Fachs, konnte dem zweiundfünfzigjährigen Heidelberger niemand das Wasser reichen. Zum Leidwesen von Bruder Hilpert traf dies jedoch auch auf die frivolen Kommentare zu, die er hin und wieder von sich gab: »Hat sie der gute alte Gallus mal wieder nicht in Ruhe gelassen?«
    »Beileibe nicht«, jammerte der Cellerar. »Unser Hahn ist hinter ihnen her wie der Teufel …«
    »… hinter einer Jungfer?«, ergänzte der Illuminator, ganz auf seine Arbeit konzentriert.
    Das war auch der Grund, weshalb ihm Bruder Hilperts strafender Blick entging. »Euer Hang zu bildhaften Vergleichen in allen Ehren, Bruder –«, machte dieser dem allgemeinen Gaudium ein Ende und wandte sich dem konsternierten Cellerarius zu, »was ist denn eigentlich los?«
    »Die Hühner legen nicht mehr.«
    »Aha!«, antwortete Bruder Hilpert schroff und widmete sich wieder dem halb fertigen Brief, den er an seinen Freund Berengar, Vogt des Grafen von Wertheim, schicken wollte. »Sonst noch was?«
    Bruder Gervasius schnappte nach Luft, und eine Zeit lang sah es so aus, als bekäme er den Mund nicht mehr zu. Zum Leidwesen des Illuminators, Rubrikators und einem halben Dutzend Kopisten trat dieser Fall hingegen nicht ein. »Aber … aber … versteht Ihr denn nicht?«, fügte er händeringend hinzu.
    »Doch!«, sprang einer der Kopisten in die Bresche. »In Zukunft werden wir uns mit noch mehr Hirsebrei, noch mehr Hafergrütze und noch mehr grob gesiebtem Brot begnügen müssen.«
    »Unusquisque proprium habet donum ex Deo [3] …«, deklamierte der Rubrikator mit sichtlichem Vergnügen, wurde jedoch jäh unterbrochen.
    »Genug jetzt!«, schritt Bruder Hilpert energisch ein, schleuderte den Gänsekiel in die Halterung und schritt auf den einundfünfzigjährigen Cellerarius zu. »Und was, um diesen unsäglichen Diskurs zu beenden, gedenkt Ihr dagegen zu tun?«
    »Ich?« Der Cellerar wandte die Augen ab und schwieg. Dann aber, unter dem Eindruck der

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