Die Braut aus den Highlands
allein sein und vertraulich mit ihm über Edda reden und darüber, wie sie es am besten anstellen sollten, ihr die Reise zu ihrer Schwester schmackhaft zu machen.
Sie ließ sich am Tisch nieder, spielte abwesend mit dem Brief von Godfreys Vater, drehte ihn auf dem Holz herum und wartete. Nach einer Weile glättete sie das Schreiben und überflog gelangweilt den Inhalt. Dort stand genau das, was Alex zusammengefasst hatte. Godfreys Vater erkundigte sich, ob der Junge wohlauf sei und sich als Knappe bewähre. Als sie allerdings zur Unterschrift gelangte, starb ihre Langeweile wie durch Blitzschlag.
„Lord Alfred Duquet!“ Sie hauchte den Namen laut. In ihrem Kopf herrschte Aufruhr. Duquet – so hieß Evelinde zufolge der Gemahl von Eddas Schwester. Godfrey sollte Eddas Neffe sein? Unmöglich, das hätte Alex doch erwähnt, dachte sie bei sich. Dann aber erinnerte sie sich, wie er ihr gesagt hatte, dass er Eddas Schwester ganz vergessen habe und sich nicht einmal an ihren Namen erinnere. Er wusste es nicht, erkannte sie. Für ihn war Godfrey der Sohn irgendeines Lords. Und weder der Junge noch Edda hatten es offenbar erwähnt. Warum nicht?
Der Grund würde kaum gutartiger Natur sein, entschied sie mit grimmiger Gewissheit und eilte auf die Küche zu. Dies war eine Angelegenheit, die sie Alex umgehend mitteilen musste. Wenn Godfrey Eddas Neffe war, dann mochte er sehr wohl derjenige sein, der hinter den Übergriffen während der Reise steckte, und siedend heiß fiel ihr wieder ein, dass er der Erste gewesen war, dem sie nach dem Steinschlag am Wasserfall begegnet war. Er hatte behauptet, dass er sich vom Lager entfernt habe, um sich zu erleichtern, und sie hatte ihm damals geglaubt. Nun fragte sie sich, ob er ihr vielleicht entgegengekommen war, um sich zu vergewissern, ob seiner Tat Erfolg beschieden gewesen und Alex tot war. Soviel sie wusste, hatte er sich nach ihrem Zusammentreffen jedenfalls nicht mehr erleichtert.
Merry hätte all die Gedanken, die ihr im Kopf herumschwirrten, am liebsten beiseitegeschoben, denn sie mochte Godfrey, aber diese Neuigkeit lenkte den Verdacht eindeutig auf ihn … Und auf Edda, erkannte sie unfroh. Nun war sie sicher, dass die freundliche Frau, die ihr seit ihrer Ankunft mit solcher Herzlichkeit begegnet war, nur eine Maske war. Evelinde war felsenfest überzeugt gewesen, dass Edda sich nicht verändert hatte, doch Merry hatte geglaubt, dass sie falsch liege. Nun allerdings neigte sie dazu, ihre Ansicht zu teilen. Noch immer ergab nicht alles einen Sinn, doch mit diesem neuen Wissen konnten Alex und sie vielleicht herausfinden, wie alles zusammenpasste. Zumindest konnten sie die beiden befragen und den Dingen auf den Grund gehen, dachte sie, als sie die Tür zur Küche aufstieß und im regen Treiben nach Alex Ausschau hielt.
Ihre Lippen wurden schmal, weil sie weder ihn noch Godfrey erblickte. Dafür sah sie Una, die mit dem Koch schwatzte, und ging zu den beiden hinüber.
„Una, hast du meinen Gemahl gesehen?“
„ Aye , er ist mit Godfrey auf den Turm gestiegen“, antwortete die Magd.
„Aber warum das?“, fragte Merry verblüfft.
„Nun, Lord Alexander kam herein und fragte den Jungen nach irgendeiner Sache, die er für ihn im Dorf hatte erledigen sollen“, erklärte Una. „Dann kam Lady Edda hinzu und zog Godfrey mit seinem Mangel an Richtungssinn auf. Sie sagte, nur ein Einfaltspinsel könne sich auf dem Rückweg vom Dorf verlaufen oder eben jemand, der nicht die geringste Ahnung habe, wie man sich zurechtfindet. Sie fragte den Laird, ob er seinem Knappen etwa nicht beigebracht habe, sich bei Tage am Moos an den Baumstämmen und bei Nacht an den Sternen auszurichten.“ Sie schnitt eine Grimasse. „Tat so, als sei alles nur Spott, diese Schlange. Doch in Wahrheit hat sie ihm ordentlich zugesetzt.“
Merry presste die Lippen aufeinander. Eddas Worte hatten Alex vermutlich ebenso hart getroffen wie Godfrey. Schuldbewusst erinnert sie sich an ihre eigenen Anklagen am Tag ihrer Begegnung, als sie ihm einen Mangel an Verantwortungsgefühl vorgeworfen hatte, weil er eine Reise nach Donnachaidh plane, ohne sich vorab um das Waffengeschick seiner Männer zu kümmern.
„Ich hatte gehofft, der Laird werde ihr ordentlich über den Mund fahren, aber nichts dergleichen“, fügte Una verdrießlich an.
Sie klang so enttäuscht, dass Merry eine Braue hob. Unas Schilderung ließ keinen Zweifel daran, dass sie Alex’ Stiefmutter nicht nur noch immer nichts abgewinnen
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