Die Braut aus den Highlands
konnte, sondern ihre Abneigung sich gar gesteigert hatte. Merry konnte sich das nicht erklären. Auch Una selbst fand ja offenbar keine Rechtfertigung außer diesem unguten „Gefühl“, dass sie im Hinblick auf die Frau beschlich.
„Wie auch immer“, fuhr die Magd fort, „Euer Gemahl beschloss, dem Jungen heute Nacht beizubringen, was er weiß, und hat ihn mit hinauf auf den Turm genommen, um ihm zu zeigen, wie man sich nach den Sternen richtet.“
„Ich habe die beiden gar nicht durch die Halle gehen sehen“, wandte Merry ein.
„ Nay , sie haben die Hintertreppe genommen.“ Una wies auf eine Stiege, die von einem Winkel der Küche aus nach oben führte. „Etwa auf halber Höhe des Turms trifft sie mit der Treppe zusammen, die vom oberen Stock aus hinaufführt.“
„Ist ein Wachposten auf dem Turm?“ Ihre Frage klang scharf, denn ihr war plötzlich mulmig zu Mute.
„ Nay . Das heißt, es war einer dort oben, doch er kam herunter, um etwas Heißes zu trinken, als Edda gerade die Küche betrat. Als Euer Gemahl mit Godfrey nach oben ging, sagte er dem Mann, er werde selbst ein Auge auf die Umgebung haben und er solle sich ruhig ein wenig die Beine vertreten. Euer Gemahl will nach ihm schicken, wenn er wieder hier ist.“
„Dann sind er und Godfrey dort oben allein?“ In ihrer Stimme schwang Entsetzen mit.
„ Aye “, sagte Una argwöhnisch und sah sie eindringlich an. „Warum? Was ist? Ihr seid ja ganz blass.“
„Godfrey ist Eddas Neffe“, murmelte Merry, schon halb auf dem Weg zu den Stufen. Mit einem Mal war sie ganz sicher, dass Alex lieber nicht mit Godfrey allein sein sollte.
16. KAPITEL
Merry hatte die Wendeltreppe vielleicht zur Hälfte hinter sich gebracht, als Edda eine oder zwei Stufen über ihr aus dem Schatten trat. Das jähe Auftauchen der Frau brachte ihren hastigen Aufstieg abrupt zum Stillstand. Halt suchend griff sich nach der Wand und beäugte die ältere Frau wachsam.
„Edda“, grüßte sie. Es gelang ihr gar, ihre Stimme höflich zu halten.
„Aber Merry, mein Liebes, wohin denn so eilig?“, fragte Edda leichthin und bedachte sie mit dem üblichen warmherzigen Lächeln.
Merry überlegte fieberhaft und griff nach der erstbesten Ausflucht. „Ich dachte, ich leiste Alexander und Godfrey auf dem Turm Gesellschaft.“
„Was für eine entzückende Idee“, meinte Edda. „Auch mir könnte ein wenig frische Luft nicht schaden. Warum gehen wir nicht zusammen hoch?“
Merry zögerte noch, weil sie nicht so recht wusste, was sie tun sollte, als Edda plötzlich die Hand hochriss, die sie hinter dem Rücken verborgen hatte, und ein kleines, aber tödlich aussehendes Messer mit juwelenbesetztem Heft zum Vorschein kam. Nun wirkte Eddas Lächeln so mörderisch wie die Klinge. „Wie wäre es, wenn Ihr voranginget?“
Sie biss die Zähne zusammen, doch da sie kaum eine Wahl hatte, setzte sie sich in Bewegung. Erst als sie an Edda vorbeiging, fiel ihr die Tür auf, vor der sie gestanden hatte. Die Tür hinunter zum ersten Stock, nahm Merry an. Als sie die Messerspitze im Rücken spürte, versteifte sie sich.
„Als ich sah, dass Ihr den Brief last, wusste ich gleich, dass Ihr mir Schwierigkeiten bereiten würdet“, erklärte Edda. Merry entging nicht, dass alle Freundlichkeit und Wärme aus ihrer Stimme gewichen waren. Stattdessen war ihr Ton kalt und gar eine Spur überheblich.
„Ich dachte, Ihr wolltet Euch in Euer Gemach begeben“, murmelte Merry, während sie grimmig Stufe um Stufe nahm.
„Das habe ich auch, jedoch nur, um mein Messer zu holen. Als ich die Kammer wieder verließ und an der Treppe hinab zur Halle vorbeikam, warf ich zufällig einen Blick hinunter und sah Euch an der Tafel das Schreiben von Godfreys Vater in der Hand halten.“
„Warum nennt Ihr ihn nicht einfach Euren Schwager?“, fragte Merry höhnisch.
„ Aye , er ist mein Schwager“, gab Edda zu. „Doch weder für ihn noch für meine Schwester habe ich je so recht Verwendung gehabt. Die beiden sind blasse, duckmäuserische Rindviecher. Sie passen hervorragend zusammen, haben jedoch sonst nichts zu bieten.“
„Und Godfrey?“, bohrte Merry unbeirrt weiter.
„Oh, wenigstens er stimmt mich hoffnungsvoll“, entgegnete Edda und fügte unwirsch hinzu: „Unglücklicherweise ist er noch jung und neigt zu Fehlern.“
Gott sei Dank, dachte Merry freudlos. Wahrscheinlich war es allein besagten Fehlern zu verdanken, dass Alex noch am Leben war. Und wenn sie Glück hatte, beging er heute Nacht
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