Die Braut aus den Highlands
Tafel in den Binsen, und auch Laird Eachann selbst schien die Besinnung verloren zu haben und war vornüber auf die Tischplatte gekippt. Brodie allerdings war noch wach und derzeit damit beschäftigt, eine der Mägde von d’Aumesbery auf seinem Schoß festzuhalten und zu küssen. Das allerdings wollte ihm nicht so recht gelingen. Das Mädchen setzte sich mit aller Macht gegen seine Umklammerung zur Wehr, hielt aber inne und formte mit dem Mund ein überraschtes „O“, als Merry vor ihnen zum Stehen kam und ihrem Bruder mit Schwung den Schild über den Kopf zog, sodass selbst Alex schmerzhaft zusammenzuckte.
Offenbar hatte Brodie einen harten Schädel. Er schüttelte bloß den Kopf, stand auf, wobei er die Magd achtlos zu Boden fallen ließ, und wandte sich zu seinem Angreifer um.
Alex legte noch einen Schritt zu, um rechtzeitig dort zu sein und Merry wenn nötig verteidigen zu können, doch diese brauchte keine Hilfe. Als ihr Bruder sich unsicher umdrehte und wankend und mit wütender Miene vor ihr aufragte und gerade den Mund auftat, um sie zweifellos zu beschimpfen, zog Merry ihm den Schild noch einmal übers Haupt.
„Was erlaubst du dir, du Flegel?“, fuhr sie ihn an. Ihr Bruder rieb sich den Kopf. „Das Mädchen ist nicht willens. Lass es in Frieden.“
„Ich hatte doch nur ein wenig Spaß“, brummelte Brodie. Er schwankte wie eine riesige Eiche, die von Männern mit Äxten zu Fall gebracht wird.
„Nun, sie hatte keinen Spaß“, brauste Merry auf und schlug ihn noch einmal, um das Maß vollzumachen.
Der dritte Hieb wirkte. Während die ersten beiden kaum mehr angerichtet hatten, als Brodies Aufmerksamkeit zu erregen, schickte ihn der letzte zu Boden. Er sackte auf die Knie, blinzelte einen Moment verwirrt und schlug dann der Länge nach hin.
Stirnrunzelnd wanderte Alex’ Blick zu Merry zurück. Sie sah auf ihren Bruder hinab, und auf ihrem Gesicht spiegelten sich Scham, Wut und Abscheu. Schließlich wandte sie sich der Magd zu.
„Ich habe doch gesagt, dass sie nur Wein bekommen sollen.“
„ Aye , Mylady, aber es sind doch Gäste und sie haben nach Whisky verlangt und …“
Sie brach ab, als Merry sie am Arm griff und leicht schüttelte. „Es ist mir gleich, wonach sie verlangen. Hör in Zukunft auf mich. Hier bekommen sie keinen Tropfen Whisky. Verstanden?“
„ Aye , Mylady. Tut mir leid, Mylady“, beeilte sich das Mädchen zu sagen.
Merry seufzte, tätschelte der Magd den Arm, drehte sich um und ließ den Blick über die drei besinnungslosen Stewart-Männer gleiten, ehe sie sich den Kriegern zuwandte, die noch immer um den Tisch saßen. „Nun, worauf wartet ihr? Sammelt euren Laird und meine Brüder ein und schafft diese Nichtsnutze nach oben. Ihren Rausch können sie genauso gut in ihren Kammern ausschlafen.“
Sofort sprangen die Krieger auf, um der Anweisung Folge zu leisten. Alex sah ihnen verblüfft zu. Er hatte angenommen, dass sie ebenso betrunken wie ihr Laird und dessen Söhne seien, erkannte nun aber, dass er falsch gelegen hatte. Nicht einer von ihnen wirkte auch nur im Mindesten unsicher auf den Beinen, als sie die drei Stewarts fortschleppten. Offenbar hatten sie diesen zwar Gesellschaft geleistet, jedoch bei Weitem nicht so viel getrunken wie die Herren, denen sie dienten. Es entging ihm auch nicht, mit welcher Ehrerbietung sie Merry begegneten. Erst jetzt, da er sah, wie sie Merry ansahen und ihr zunickten, ging ihm auf, dass keinerlei Achtung in ihren Mienen gestanden hatte, als sie vorhin mit Vater und Brüdern zusammengesessen hatten. Sie waren zwar nicht unverhohlen respektlos gewesen, doch nun bemerkte er bei einem jeden von ihnen den Unterschied.
Als die Männer mit ihrer Last die Treppe hinauf entschwunden waren, blickte Alex wieder zu Merry hinüber. Gerade noch sah er, wie sie plötzlich Kopf und Schultern hängen ließ, als laste eine schwere Bürde darauf. Er erkannte, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, wie er ihr in die Halle gefolgt war. Unter normalen Umständen, da war sich Alex gewiss, hätte Merry es niemals zugelassen, dass man sie anders als stark und zupackend sah. Für gewöhnlich würde sie verbergen, wie sehr sie die Eskapaden ihrer Familie niederschmetterten oder erschöpften. Er war froh, es zu sehen, denn es zeigte ihm eine verletzliche Seite an ihr, von der er sonst, so ahnte er, nie erfahren hätte.
Doch die Verletzlichkeit verflog so rasch, wie sie sich offenbart hatte. Kaum ein Herzschlag verging, ehe Merry laut seufzte, die
Weitere Kostenlose Bücher