Die Braut aus den Highlands
sich um. Die Kerze befand sich auf der Truhe, und sie erinnerte sich vage, dass Alex geflucht und vor sich hingemurmelt hatte, als er sie vorhin entzündet hatte. Sie war dankbar für das Licht. Auf dem Boden, neben der Tunika ihres Mannes, lag das, was von ihrem Gewand und Unterkleid noch übrig war.
Es waren nur mehr Lumpen. Sie schnitt eine Grimasse, sah wieder zur Truhe hinüber. Kurz erwog sie, Kerze und Kräutersäckchen herunterzunehmen und in der Kiste nach einem sauberen, unbeschädigten Kleid zu suchen, doch schien ihr das viel zu anstrengend. Stattdessen bückte sie sich nach Alex’ Tunika und zog sie über. Der Stoff endete an den Knien, was nicht gerade sittsam war, bedeckte aber alle wesentlichen Partien. Sie entschied, dass dies genüge, und schritt zur Zeltöffnung.
Merry sah nach draußen und verzog unmutig den Mund. Der Himmel wurde bereits hell, die Dämmerung brach herein. Ganz gleich, ob ihr Gemahl bei seiner Rückkehr noch einmal von ihr Besitz ergriff oder nicht, in dieser Nacht würde sie wohl kaum mehr schlafen, erkannte sie düster. Beim Gedanken an Alex ließ sie den Blick über das Lager wandern. Obwohl die Sonne sich bereits ankündigte, war es noch immer recht dunkel. Alles, was sie ausmachen konnte, waren die verstreut liegenden dunklen Gestalten der schlafenden Recken. Jemanden, der aufrecht stand oder umherging und sich somit als ihr Mann zu erkennen gab, sah sie nicht. Dies bestärkte Merry in der Annahme, dass auch er einem natürlichen Drang gefolgt war.
Sie fühlte sich unwohl in der dürftigen Gewandung. Eilig schlüpfte sie aus der Deckung des Zeltes und kräuselte die Nase, als sie das taufeuchte Gras unter ihren nackten Füßen spürte. Dennoch lief sie weiter, bestrebt, möglichst schnell die Rückseite des Zeltes zu erreichen, die ein wenig Abgeschiedenheit bot. Sie blieb jedoch jäh stehen, als sie den Platz leer vorfand. Alex war nicht hier.
Merry schaute den Weg zurück, den sie gekommen war, und fragte sich, wohin er verschwunden sein mochte, wischte die Angelegenheit aber beiseite. Sie hatte Dringenderes zu erledigen und konnte sich immer noch sorgen, wenn sie damit fertig war, sagte sie sich, fand ein geeignetes Fleckchen und hockte sich nieder. Während sie so dasaß und sich erleichterte, kehrten ihre Gedanken jedoch unwillkürlich zu ihrem Gemahl zurück.
Vielleicht war er jagen gegangen, um etwas zu fangen, das sie über dem Feuer braten und mittags würden essen können, überlegte sie, verwarf diese Möglichkeit aber. Nein, sie trug seine Tunika, was bedeutete, dass er nichts als seine Hosen anhatte. So spärlich bekleidet würde er kaum auf die Jagd gehen, dachte sie, während sie ihre Notdurft beendete.
Womöglich war er zum Fluss gegangen, um sich zu waschen, schoss ihr durch den Kopf. Oder vielleicht …
Ihre Gedanken brachen so abrupt ab, wie sie selbst mitten im Aufrichten erstarrte, als sie des Raschelns gewahr wurde, das zu ihrer Linken aus dem Wald drang. Sie hatte das Geräusch schon vernommen, als sie hinter das Zelt getreten war, doch war sie so von dem Bedürfnis ihres Körpers in Anspruch genommen gewesen, dass sie ihm keine Beachtung geschenkt hatte. Nun da das Dringlichste erledigt war und sie sich besser fühlte, fiel ihr der Laut umso deutlicher auf. Stirnrunzelnd blickte sie in die Richtung, aus der er kam, und versuchte zu ergründen, was ihn wohl verursachte.
Es klang nicht wie das Knacken, das kleines Getier verursachte, wenn es sich näherte oder floh, sondern war ein ebenmäßiges, dumpfes Schleifen, so als würde etwas Schweres über den Waldboden gezogen. Unweigerlich hatte Merry bei diesem Gedanken vor Augen, wie ihr besinnungsloser Gemahl durchs Unterholz gezerrt wurde – und von ihr fort, denn sie war sicher, dass das Geraschel schwächer geworden war und mit jedem Herzschlag weiter abnahm.
Sie versuchte, das Bild zu verscheuchen, doch es hielt sich hartnäckig, sodass sie endlich beschloss, dem Geräusch nachzugehen und sich zu vergewissern, dass es nicht die Ursache hatte, die sie sich ausmalte. Zunächst bewegte sie sich langsam und näherte sich dem Wald in einer schrägen Linie vom Zelt fort, wobei sie wachsam blieb. Als sie den Rand der Lichtung erreicht hatte, wo das Gebüsch begann, bemerkte sie, dass das hüfthohe Gras an einer Stelle flachgedrückt war, so als sei hier tatsächlich etwas fortgeschleift worden. Sie spürte ihr Herz bis in die Kehle pochen und schritt rascher aus.
Wem oder was immer sie da folgte,
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