Die Braut des Florentiners - TB 2006/2007
versuchte noch im Fallen vergeblich mit seiner Klinge die Beine eines Pferdes zu treffen, sprang auf und sah ein weiteres Pferd vor sich, wurde angerempelt und beiseitegestoßen, dass der Bidenhänder aus seinen Händen flog, prallte schmerzhaft auf und rang nach Atem. Er sah Urso, der sich zwischen den Reitern duckte und wand wie ein Gaukler bei einem irren Tanz, hörte das Klirren, mit dem er Hiebe parierte und mit dem seine eigenen Schläge pariert wurden. Dann verschwand Urso in der Welle aus Leibern, die direkt über ihn hinwegzuströmen schien, das Feuer loderte auf, als die Angreifer darübersetzten oder halb hindurchdonnerten, und die Dunkelheit verschluckte die Boten der Apokalypse jenseits des Lagers. Urso stand noch auf seinen Beinen, offenbar unverletzt. Das Donnern war noch immer zu hören, und das grelle Wiehern, das Pferde ausstoßen, wenn sie in vollem Lauf grob herumgerissen und zu einem neuen Lauf in die entgegengesetzte Richtung gezwungen werden. Die ersten Schmerzensschreie ertönten rund um das Feuer. Menschen begannen hin und her zu rennen, schreiende Dörfler, kreischende Kinder, fluchende Wölfe. Lorenzo sprang zu Urso hinüber, raffte im Rennen den Bidenhänder auf; seine Rippen schmerzten noch immer von dem harten Zusammenprall.
»Zur Seite, zur Seite«, keuchte er und zerrte Urso mit sich aus dem unmittelbaren Feuerkreis heraus in die halbe Düsternis, aus dem Weg, den die Reiter nehmen würden. Da waren sie schon wieder zurück, exakt an der Stelle, an der sie aus dem Lager hinausgesprengt waren. Mit unverminderter Geschwindigkeit ritten sie erneut an, galoppierten über fliehende Menschen hinweg, grelles Wiehern, grelles Angstgeschrei, Gebrüll, dröhnender Hufdonner … Ein Pferd stieg plötzlich hoch und wieder hinab, sein Reiter stürzte über seinen Hals nach vorn, das Pferd drehte sich, geriet den anderen in den Weg, stolperte und sprang wild ausschlagend davon, während sein gestürzter Reiter unter die Hufe der nachkommenden Pferde geriet. Das panische Tier sprang an Urso und Lorenzo vorbei, und Lorenzo konnte gerade noch sehen, wie Enrico, der herangelaufen war, sich im letzten Augenblick beiseitewarf, seine leer geschossene Armbrust umklammernd. Die Reiter setzten erneut über das Feuer hinweg.
» jeeeetzt! «, brüllte Lorenzo und rannte auf die Kavalkade zu, Urso neben sich, noch zwei, drei andere Männer, die aus der Erstarrung erwacht waren. Er hörte den Knall von Enricos Armbrust und sah, wie sich sein Bolzen in die Hinterhand eines Pferdes grub. Das Tier wirbelte herum, sein Reiter versuchte das Gleichgewicht zu halten und verlor seine Hiebwaffe; Lorenzo schwang den Bidenhänder und drosch die Klinge gegen den ungeschützten Rücken eines anderen Reiters, aber er konnte ihn nicht aus dem Sattel holen. Das galoppierende Pferd streifte ihn und warf ihn wieder zu Boden; die Armbrust knallte erneut, und der Reiter auf dem wild gewordenen Ross flog aus dem Sattel; einer der Wölfe war hinter einem weiteren Angreifer aufs Pferd gesprungen, konnte sich aber nicht halten und stürzte herab, rollte aus dem Gefahrenbereich der Hufe und sprang auf. Wieder verschwanden die Männer in die Dunkelheit, wieder das Wiehern von jenseits des Feuers, als sie die Pferde in den dritten Anlauf zwangen. Rund um das Feuer lag ein Dutzend regloser oder sich windender Menschen, fast alle in den Kleidern der Dörfler, dazwischen die beiden getöteten Angreifer. Einer hatte seinen Helm mit dem Gittervisier verloren, der ihn und die anderen in Horrorgestalten verwandelt hatte; darunter war er ein Mensch mit struppigen, mageren Wangen, der nicht anders aussah als die Dörfler oder Cortos Wölfe. Lorenzo wurde sich bewusst, dass noch keine zwei Minuten vergangen waren, seit er in den Feuerschein gesprungen und Alarm gegeben hatte. Mit allen möglichen Waffen versehene Wölfe rannten herbei und blickten sich wild um.
»Viertelkreis versetzt!«, schrie Lorenzo. Er dachte nicht darüber nach, ob Cortos Leute ihm folgen würden. Die dritte Angriffswelle stürmte heran. Die Wölfe gruppierten sich hastig um. Wie Lorenzo erwartet hatte, donnerten die Reiter nun in einer Linie heran, in der sie die Verteidiger hätten niedertrampeln können, wenn diese nicht erneut die Plätze gewechselt hätten. Lorenzo versuchte den Überblick zu gewinnen, aber das Chaos im Lager war hoffnungslos. Ein Mann, dessen Beine hinter ihm herschleiften, versuchte beiseitezukriechen und hatte keine Chance, als die Angreifer über
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