Die Braut des Herzogs (German Edition)
den Ereignissen des letzten Abends. Das blanke Entsetzen hatte sieüberkommen, als sie erfahren hatte, in welcher Gefahr sich sowohl ihr Sohn als auch Olivia befunden hatten.
»Ein Herr möchte Sie sprechen, Mylady«, verkündete der Butler, der leise eingetreten war.
»Er möchte mich sprechen?« vergewisserte sich Marilla mit klopfendem Herzen.
»Jawohl Mylady. Der Herr fragte nach Mylady.« Der Butler trat näher, um ein Silbertablett in ihre Reichweite zu halten, auf dem eine Visitenkarte lag. Sie las den Namen, er sagte ihr nichts. Doch wenn der Gentleman ausdrücklich nach ihr gefragt hatte, dann konnte das nur eines bedeuten.
»Soll ich dem Herrn sagen, Sie seien ausgegangen, Mylady?« erkundigte sich der Butler.
»Nein, nein«, widersprach Marilla schnell: »Ich lasse bitten.«
Der Butler schloß die Türe hinter sich und ging, um den Besucher in das Empfangszimmer zu geleiten. Mylady blieb in heller Aufregung zurück. Sie spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden und ihre Knie zitterten.
Mat ist gekommen, dachte sie, es muß einfach Mat sein.
»Mister Libertieu«, meldete der Butler, und Matthew Laurent betrat den Raum. Leise schloß sich die Türe hinter ihm. Mutter und Sohn waren alleine. Sie standen sich gegenüber, sahen sich an, und keiner sagte ein Wort.
Wie erwachsen er geworden ist, dachte Marilla befangen. Und trotz der ungewohnten Haarfarbe und dem Oberlippenbärtchen: wie er seinem Vater ähnlich sieht.
Sie streckte die Arme aus, um ihn willkommen zu heißen. »Mat«, sagte sie einfach.
Mit wenigen Schritten war ihr Ältester bei ihr, um sie innig zu umarmen.
»Wie oft habe ich dich vermißt«, sagte er.
Tränen schossen ihr in die Augen und liefen über die Wangen. Sie stand da, in den Armen ihres Sohnes und weinte. Weinte um acht verlorene Jahre. Weinte vor Erleichterung, ihn gesund und wohlbehalten wiederzusehen, weinte vor Freude, ihn bei sich zu haben. Er ließ sie weinen, hielt sie fest an sich gedrückt undstrich ihr mit der freien Hand beruhigend und etwas unbeholfen über den Rücken. Schließlich machte sie sich los und kramte in ihrem Retikül etwas umständlich ein Taschentuch hervor, um sich energisch die Nase zu putzen und die Tränen zu trocknen.
»Entschuldige bitte, ich bin wirklich eine alberne Gans«, schalt sie sich selbst und bemühte sich zu lächeln: »Aber ich habe mir diesen Augenblick so sehr gewünscht in all den Jahren. Nun bin ich ganz überwältigt. Wie geht es dir, mein Lieber?«
Sie nahm auf einer kleinen Bank Platz: und lud ihn ein, sich neben sie zu setzen: »Komm zu mir. Ich will hören, wie es dir ergangen ist.« Sie schwieg kurz und fragte dann unvermittelt: »Warum um Himmels willen bist du ein derartiger Dandy geworden?« Mat war der Aufforderung seiner Mutter noch nicht gefolgt und lächelte sie nun spitzbübisch an:
»Aber, ma chère maman «, sagte er geziert. »Das ist doch der letzte Schrei der Mode, ich versichere Ihnen.« Sein französischer Akzent war makellos.
»Ja richtig, einen französischen Namen hast du dir ja auch zugelegt. Dient das alles dem Schutz vor Gläubigern und Geldverleihern?«
Mat lachte: »Mama, du bist unverbesserlich. Nein, nein, so tief bin ich nicht gesunken. Die Verkleidung gehört zu meinem Beruf, weißt du.«
Er trat zum Spiegel und löste langsam den Bart von seiner Oberlippe. Dann zog er die Perücke ab und schüttelte seine kurzen, schwarzen Locken.
Marilla hatte ihm staunend zugesehen. »Nun bist du wieder du selbst. Obwohl, weißt du, daß du deinem Vater ähnlich geworden bist?«
Mat schien darüber nicht erfreut zu sein. » Merci du compliment «, sagte er mit einer steifen Verbeugung.
»Ach, sei doch nicht gleich ungehalten«, bat ihn seine Mama, »sonst müßte ich den Verdacht hegen, daß du ihm nicht nur im Aussehen, sondern auch in deiner Wesensart ähnlich gewordenbist. Und das wäre bedeutend schlimmer. Denn, was immer man über deinen Vater sagen kann, mein Lieber, er war ein schöner Mann.«
»Ja, das mag stimmen«, gab Mat, nun schon wieder lächelnd, zu. »Er ist vor zwei Jahren gestorben«, erklärte Lady Redbridge nun, da sie annahm, er war vielleicht nicht informiert.
»Das weiß ich«, sagte Mat jedoch.
»Du wußtest es? Warum hast du dich dann nie gemeldet? Wie hast du von Papas Tod erfahren? Warum hast du sein Erbe nicht angetreten?«
Mat antwortete nicht sogleich und setzte sich nun doch neben seine Mutter auf das Sofa.
»Als Papa starb, war ich gerade in einer sehr
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