Die Braut des Herzogs (German Edition)
…«
Olivia hörte ihn nicht mehr. Mit energischen Schritten eilte sie den beiden Männern entgegen.
»Vicomte de Valliseau!« rief sie aus. Es klang, als sei sie freudig überrascht. »Wie gut, daß ich Sie treffe!«
Sie wandte sich scheinbar beiläufig an Mat, um ihm grüßend zuzunicken, und fuhr dann fort: »Stellen Sie sich vor, was geschehen ist, Vicomte …«
Obwohl dieser nicht erfreut sein konnte, sie zu sehen, verriet er mit keiner Regung seine Verärgerung. »Ich würde Ihnen so gerne zuhören, Miss Redbridge, das versichere ich Ihnen. Wenn Sie erlauben, werde ich morgen vormittag bei Ihnen vorsprechen. Doch jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen. Mein Landsmann hatte einen Schwächeanfall. Ich habe mich erbötig gemacht, ihn zu einem Arzt zu bringen. Sie sehen also …«
»Aber, Vicomte …«, redete Olivia unbeirrt weiter, »ich will Sie nicht aufhalten. Doch stellen Sie sich vor, ich habe meinen Stiefbruder gefunden! Er ist gerade bei seiner Mutter. Die ist natürlich außer sich vor Freude …«
Valliseau schien tatsächlich abgelenkt.
»Ihr Stiefbruder!« rief er aus, und für kurz lockerte sich der Griff um Mats Arm. Diesen Moment nützte dieser zu einer raschen Drehung, und mit voller Wucht schlug er seinen Widersacherzu Boden. Dann beugte er sich vor, um Valliseau die Waffe zu entreißen. Dabei löste sich ein Schuß. Olivia spürte einen heißen Lufthauch an ihrer rechten Wange. Dann fiel sie vor den erschrockenen Augen von Mat und MacAlister lautlos zusammen.
XXV .
Der nächste Morgen brachte eine Unterbrechung des warmen, frühsommerlichen Wetters. Der Himmel hatte sich eingetrübt, und ein dauerhafter Nieselregen löste die strahlenden Sonnentage ab.
Olivia lag in ihrem Bett und starrte gedankenverloren zur Zimmerdecke. Die Morgenschokolade, die ihr Molly schon vor einer Stunde aufs Nachtkästchen gestellt hatte, war unangetastet geblieben und längst ausgekühlt. Die Regentropfen klopften an die Fensterscheiben, und Olivia war, als spiegelte das trübe, unfreundliche Wetter die Stimmung wider, in der sie sich befand.
Noch am Vortag hatte sie die Anspannung, der Ehrgeiz, das Geheimnis zu lösen, das Marillas Sohn umgab, aufrechtgehalten – hatte die Verzweiflung über die Unstimmigkeiten mit Wellbrooks verdrängt. Doch nun war die Spannung gewichen, und geblieben war ein Gefühl der Trostlosigkeit und der Müdigkeit.
Im Liegen, ohne den Kopf zu wenden, öffnete sie die Lade ihres Nachtkästchens und tastete nach dem messinggerahmten Handspiegel. Sie setzte sich nun doch auf, um einen kritischen Blick auf ihr Spiegelbild zu werfen. Die ruckartige Bewegung ließ sie aufstöhnen: der Kopf dröhnte. Sie mußte sich, als sie ohnmächtig geworden war, im Fallen den Kopf angeschlagen haben. Der Spiegel zeigte ein blasses, müdes Gesicht, die Haare mit einem Spitzenhäubchen zusammengehalten. Auf der rechten Wange zeigte eine feine rote Spur, daß sie die Pistole des Franzosen gestreift – aber glücklicherweise nicht getroffenhatte. Nicht auszudenken, wenn die Kugel um einige Zentimeter weiter nach links gegangen wäre, dachte sie zum wiederholten Male. Aber der Umstand, daß sie aufgrund eines bloßen Streifschusses in Ohnmacht gefallen war, verwunderte sie doch. Es war das erste Mal, daß sie bewußtlos geworden war – allerdings auch das erste Mal, daß sie beinahe erschossen worden wäre, wie sie, als müßte sie sich vor sich selbst verteidigen, feststellte.
Sie war nicht lange bewußtlos gewesen, doch als sie erwachte, war von Mat und Valliseau nichts mehr zu sehen. Nur MacAlister, der sich besorgt zu ihr niederbeugte, war zur Stelle. Wie durch ein Wunder hatte der Schuß keine Schaulustigen angelockt. Gerade zu dem Zeitpunkt, als er losging, war das Feuerwerk an seinem Höhepunkt angelangt, und eine Rakete nach der anderen war abgefeuert worden.
»Wo ist Mat?« hatte sie, noch leicht benommen, gefragt, als ihr MacAlister auf die Beine half. Der Kopf hatte stark geschmerzt, die Wange, die von der Kugel gestreift worden war, brannte.
»Er ist in Sicherheit. Es ist alles in Ordnung«, hatte MacAlister versichert, als sie sich auf ihn stützte, da sie fürchtete, ihre Beine würden nachgeben und sie würde abermals zu Boden stürzen: »Er wird Sie am Vormittag aufsuchen.«
Olivia hatte genickt und sich mit dieser Auskunft zufriedengegeben. Sie hatte in diesem Augenblick gar keine Einzelheiten erfahren wollen – das hatte Zeit bis später. Alles, was sie wollte, war: nach
Weitere Kostenlose Bücher