Die Braut des Kreuzfahrers
Es ist nur dein verletzter Stolz, der dich so unversöhnlich macht, Stolz und Eitelkeit sind schwere Sünden. «
Sie zögerte, denn sie konnte ihm auf keinen Fall gestehen, dass sie ins Hurenviertel gelaufen war. Doch Ambroise war verschwunden, sie hatte vorgestern sogar heimlich im Hurenviertel nach ihm gesucht und voller Schrecken erfahren, dass er und seine beiden Begleiter wohl von den Sarazenen mitgenommen wurden.
» Ich habe Schlimmes über Ivo gehört, Vater « , log sie. » Ich ging mit Beatrice’ Magd durch das Lager, um Wasser zu holen, und wir kamen an einer Gruppe Kämpfer vorüber. Die redeten davon, dass Ivo Beaumont drüben bei den ehrlosen Frauen gewesen sei. «
Die Nachricht gefiel Jean zwar nicht, doch es änderte wenig an seinem Entschluss. Wer weiß, ob sie sich nicht geirrt habe, vielleicht ging es um einen anderen Ivo. Schließlich sei der Name nicht gerade selten. Es gäbe keinen Grund, jemanden wegen solch haltloser Gerüchte schuldig zu sprechen.
» Ich bin ganz sicher, Vater. «
Er seufzte und starrte dann düster vor sich hin.
» Du magst das zwar nicht verstehen, Tiessa « , murmelte er. » Aber ein Krieger geht hin und wieder zu diesen Frauen. Ivo ist nicht verheiratet – wer sollte es ihm verbieten. Wenn er allerdings dein Ehemann ist, sollte er auf solche Gebräuche verzichten. Ich werde mit ihm reden. «
» Du kannst mit ihm reden, solange du willst – aber ich werde ihn niemals heiraten! « , zeterte sie starrsinnig.
» Warum machst du es mir so schwer, Mädchen « , seufzte er. » Alles, was ich verfüge, geschieht zu deinem Besten. Geh jetzt zurück zu deiner Herrin und bete zur Gottesmutter, damit sie dir den rechten Weg aufzeigt. «
Er begleitete sie nicht, sondern ging mit langsamen Schritten davon, den Rücken leicht gebeugt, als drücke ihn eine schwere Last, das verletzte Bein zog er ein wenig nach. Sie folgte ihm mit den Blicken, verzweifelt über diesen unglücklichen Streit, über ihre eigenen Lügen, vor allem aber darüber, dass sogar ihr über alles geliebter Vater es ganz normal fand, dass ein Mann zu den Huren ging. Wie konnte es sein, dass Ivo die Nacht bei einer käuflichen Frau verbrachte und am Morgen danach Jean Corbeille um die Hand seiner Tochter bat?
Und wenn Ambroise mich belogen hat, dachte sie bedrückt. Er hat Ivo gesehen, das ist sicher. Aber vielleicht war es gar nicht bei den Huren, sondern an einem anderen Ort des Lagers? Ambroise ist eifersüchtig, vielleicht hat er sich das alles nur ausgedacht, um Ivo anzuschwärzen? Sie seufzte tief. Nein, gewiss wollte sie Ivo nicht unrecht tun. Doch Ambroise war fort, sie konnte ihn nicht mehr fragen – wer weiß, was mit ihm geschehen war, vielleicht war der arme Busche gar nicht mehr am Leben.
Sie schämte sich jetzt ihrer Lüge, schlimmer noch war ihre Feigheit, denn sie hatte Angst davor gehabt, vom Vater für die neue Eigenmächtigkeit gescholten zu werden. Sie rang mit sich, dann entschied sie sich, dem Vater die Wahrheit zu erzählen. Sollte er entscheiden, ob Ambroise zu trauen war oder nicht. Froh über diesen Einfall lief sie hinter Jean her, rief seinen Namen, aber er schien sie nicht zu hören. Beharrlich folgte sie ihm, stieg über Feuerstellen, Kessel und allerlei umherliegende Gerätschaften hinweg und hatte ihn schon fast eingeholt, da blieb sie betroffen stehen. Jean Corbeille verschwand in einem der Zelte, in denen die Johanniter Kranke und Verwundete versorgten. Es verletzte sie tief. Ihr Vater ließ sich von den Johannitern ärztlich behandeln – weshalb vertraute er diesen Männern mehr als ihr, seiner Tochter, die doch Corbas Kunst gelernt hatte?
Er tut es, weil er ärgerlich auf mich ist, dachte sie traurig. Na schön, sie hatte nicht das Recht, ihm Vorwürfe zu machen, sie würde vor den Zelten der Johanniter auf ihn warten.
Es waren mehrere große und zwei kleine Zelte, die um einen freien Platz herum errichtet waren. Dort war eine Feuerstelle, Töpfe und Tiegel standen umher, auch Eimer mit frischem Wasser. Auf Schnüren hatte man ausgewaschene Binden und Tücher zum Trocknen aufgehängt, der heiße Wind zerrte daran und hatte schon einige fortgeweht. Zwei Männer saßen zusammengesunken vor einem Zelt, und Tiessa sah voller Mitleid, dass einem von ihnen ein Fuß fehlte, der andere hatte statt des rechten Unterarms nur noch einen Stumpf, der mit rotgefleckten Binden umwickelt war. Der Ärmste würde niemals mehr den Zügel führen können – wenn er überhaupt kräftig
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