Die Braut des Kreuzfahrers
von sich fern. Selbst für die einfachsten Handreichungen erntete Tiessa dann unfreundliche Worte.
» Sie will es wieder einmal nicht wahrhaben « , flüsterte Beatrice Tiessa leise zu. » Aber natürlich hat sie das Fieber. Sogar schlimmer als neulich. «
Tiessa wusste es auch, doch sie fand Beatrice’ Sorge übertrieben. Yolandas kräftige Natur würde die Krankheit ganz sicher leicht überstehen, und außerdem plagten sich alle Kreuzfahrer, Männer wie Frauen, immer wieder mit irgendwelchen Fieberkrankheiten herum. Es schien eine der Geißeln zu sein, die Gott der Herr für die Sünder der Christenheit im Heiligen Land bereithielt und – wie man hörte – schützte weder das Gebet noch ein frommer Lebenswandel davor. Es war nur wichtig, sich gut zu ernähren und genug zu trinken, denn wer von Hunger und Durst geschwächt war, den raffte das Fieber unweigerlich dahin.
Sie hatte sich gerade Nadel und Faden genommen, um einen Riss an Beatrice’ Mantel auszubessern, da lief die Magd Marie ins Zelt und meldete, dass Jean Corbeille draußen warte. Er bitte darum, kurz mit seiner Tochter sprechen zu dürfen.
» Geh nur « , meinte Beatrice lächelnd. » Yolanda wird dich jetzt sowieso nicht rufen. «
Tiessa dankte ihr und legte das Nähzeug mit gemischten Gefühlen zur Seite. Sosehr sie sich freute, ihren Vater zu sehen – es würde vermutlich wieder zu einem unseligen Streit kommen. Jean Corbeille war beharrlich in seinem Bemühen, die einzige Tochter für den Rest der Kreuzfahrt unter den Schutz eines Ehemannes zu stellen. Und als Ehemann hatte er ausgerechnet Ivo Beaumont ausgewählt.
Als sie vor das Zelt trat, stellte sie bekümmert fest, dass der Vater traurig und rastlos war – wie so oft in letzter Zeit. Es war an seinen schmal gezogenen Lippen und den nach unten hängenden Mundwinkeln zu erkennen, vor allem aber am erloschenen Blick seiner hellen Augen. Doch als sie schon fürchtete, er würde ihr wieder Vorhaltungen machen, begann er zu ihrem Erstaunen von ganz anderen Dingen zu reden.
» In der Heimat ist das Heu jetzt schon in den Scheunen, und das Korn wird geschnitten. Erinnerst du dich an den Geruch des reifen Korns, Tiessa? Wenn man am Feld entlangging, dann knisterten die Ähren in der Sonne, und der warme Duft von frischem Brot stieg auf. «
Jean Corbeille blickte wie abwesend zwischen den Zelten hindurch, wo man die kahlen, vertrockneten Hügel sehen konnte. Nur in der Ferne, wo sich die Berge erhoben, war ein schwacher hellgrüner Bewuchs zu erkennen, ansonsten war das Heilige Land zu dieser Jahreszeit ausgedörrt und unwirtlich.
» Du denkst an die Heimat, Vater? Willst du vielleicht gar dorthin zurückfahren? « , fragte sie hoffnungsvoll.
Doch sie erntete nur ein Kopfschütteln. Nein – Jean Corbeille hatte gelobt, am Heiligen Grab für die Seele seiner verstorbenen Frau zu beten, und er wollte lieber sterben, als unverrichteter Dinge ins Perche zurückzukehren.
» Aber dennoch träume ich in den Nächten von den Hügeln des Perche « , fuhr er bekümmert fort. » Von den dichten Wäldern voller Wild und den Ufern der Huisne, wo die Frauen immer die Wäsche gewaschen haben. Auch von unserem Haus und von der Zeit, als deine Mutter lebte und wir alle miteinander so glücklich waren … «
Er musste sich jetzt die Augen wischen, die Erinnerung an Corba schmerzte ihn, doch er tat es mit einer ärgerlichen Bewegung.
» Verzeih – ich kam nicht, um zu jammern, Tiessa « , sagte er mit veränderter Stimme. » Die alten Zeiten sind unwiderruflich vorbei, und ich bin nicht traurig darüber, wenn ich die Heimat vielleicht nicht wiedersehen werde. Nur um dich ist es mir leid, mein Kind, denn du wirst bei deiner Rückkehr unter einem schwachen und untauglichen Herrscher leben müssen. «
Tiessa starrte ihren Vater an. Hatte sie recht gehört? Sprach er tatsächlich von Gottfried von Perche, seinem Herrn?
» Was redest du da nur, Vater! Wir werden gemeinsam am Heiligen Grab beten und auch gemeinsam wieder ins Perche zurückkehren, denn ich lasse dich nicht allein in der Fremde. Und was den Grafen von Perche betrifft, so … «
» Der Graf von Perche lässt dir ausrichten, du sollst in sein Zelt kommen, weil er dir etwas aufzutragen hat « , unterbrach Jean seine Tochter missmutig. » Also geh und säume nicht, sonst wird er mich tadeln, seinen Auftrag schlecht ausgeführt zu haben. «
» J… ja, Vater … «
Sie war verwirrt, stellte jedoch keine weiteren Fragen, da ihr Vater wenig zu
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