Die Braut des Kreuzfahrers
weitblickender Herrscher. Was man von dem Löwenherz nun wirklich nicht behaupten kann. Tut er nicht immer, was ihm gerade in den Sinn kommt? «
» Das mag wohl wahr sein, meine Liebe « , gab Yolanda mit einem leichten Grinsen zurück. » Aber er tut es auf eine grandiose Weise. «
Man öffnete das Lagertor, zwei angevinische Ritter geleiteten die Unterhändler und ihren Anhang zu dem großen Zelt, in dem der Heerführer Richard Löwenherz sie erwartete. Es war ganz sicher kein leichter Gang für die zehn Männer, die hier dem Feind ganz und gar ausgeliefert waren und sich nur auf das gegebene Wort und ihren Status als Unterhändler verlassen konnten. Ihr Weg war gesäumt von Rittern, Knechten und auch Frauen, die sie neugierig anstarrten. Hie und da war Zischen und Geflüster zu vernehmen. Beleidigungen und hämische Bemerkungen wurden ausgesprochen, zwar in einer Sprache, die die Männer nicht verstehen konnten, der Sinn musste ihnen jedoch klar sein. Zwei von ihnen waren Graubärte, die mit ruhigen Schritten und beherrschten Mienen vorangingen, der dritte aber war noch jung, ein groß gewachsener Mensch mit schwarzlockigem Bart und einer scharfen Nase. Im Gegensatz zu den beiden Alten schien er ein Kämpfer zu sein, vermutlich sogar ein Offizier, denn er sah nicht aus, als sei er gewohnt, Befehle auszuführen. Im Vorübergehen wanderte sein Blick unruhig über die Menge der Gaffer, erfasste für einen kleinen Moment die drei Frauen, die abseits der Neugierigen neben ihrem Zelt standen, und Tiessa spürte erschrocken die zornige Glut seiner schwarzen Augen.
» Der sieht nicht so aus, als sei er bereit, sich Richard Löwenherz zu unterwerfen « , bemerkte Beatrice.
» Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben « , befand Yolanda. » Je länger sie zögern, desto teurer wird es für die Bewohner von Akkon. «
» Ja, sie werden ein hübsches Sümmchen aufbringen müssen « , meinte Beatrice mit sanftem Lächeln. » Wenn man bedenkt, was uns dieser Kreuzzug gekostet hat – allein die Ausrüstung und Verpflegung der Kämpfer, dann die Pferde, die Überfahrt, die vielen Zölle und sonstigen Gelder … «
» Aber … « , wandte Tiessa schüchtern ein, » dies alles tun wir doch im Namen Gottes und für das Heil unserer Seelen. «
» Ganz recht « , beeilte sich Beatrice zu versichern. » Nichts ist zu teuer, wenn es dem Heil der Seele dient. Aber Gold und Beute haben sich unsere Männer in ehrlichem Kampf erworben, es wäre eine Schande, mit leeren Händen zurück in die Heimat zu fahren. «
Die Kluft zwischen der Adligen und der Tochter des Ministerialen tat sich plötzlich wieder auf, und Tiessa begriff, dass Beatrice von Chenet und Yolanda von Villeneuve in völlig anderen Kategorien dachten als sie selbst. Sie waren im Geiste der Ritterschaft und des Adels erzogen, wo sich Besitz und Herrschaft ohne weiteres mit dem Anspruch auf das Paradies vereinbaren ließen und wo Beute und Tributzahlungen – zumal hier im Heiligen Land – das uralte Recht des Siegers waren. Wie naiv war sie doch gewesen, als sie glaubte, die Kreuzritter zögen aus, um das heilige Jerusalem aus den Händen der Heiden zu befreien. Sie waren hierhergekommen, um Städte zu erobern und Reichtümer zu erwerben.
» Lass uns ins Zelt gehen « , bestimmte Yolanda. » Die Verhandlungen werden sich gewiss eine Weile hinziehen, und außerdem habe ich Kopfschmerzen. «
» Schon wieder das leidige Fieber? « , seufzte Beatrice.
» Unsinn. Die üblichen Plagen, die uns Frauen alle vier Wochen befallen. «
Yolandas Ton war jetzt ablehnend, fast bärbeißig, und Beatrice hielt ihr die Zeltbahn zur Seite, ohne einen weiteren Kommentar zu geben. Auch Tiessa trat ins Zelt. Schweigend goss sie einen Becher Wein ein, mischte Wasser dazu und reichte das Getränk ihrer Herrin. Yolanda schnaubte missmutig, nahm den Becher aber dennoch und trank ihn in einem einzigen Zug aus. Als sie Tiessa das leere Gefäß reichte, lag in ihren Zügen ein ungewohnt zärtlicher Ausdruck, der sogleich wieder verschwand.
» Verzieh dich, Mädchen « , raunzte sie Tiessa an. » Ich kann dich jetzt nicht brauchen. «
Yolanda war ihr immer noch ein Rätsel. Sie hatte Tiessa liebevoll gepflegt, als sie krank gewesen war, doch sie selbst überließ sich niemals der Fürsorge einer anderen Person. Wenn sie ein Fieber überfiel, zog sie sich hinter den Vorhang zurück, der ihr Gemach von dem Beatrice’ abteilte, und hielt jeden, der nach ihr sehen wollte, mit beißendem Spott
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