Die Braut des Kreuzfahrers
sie auch Ivo zwischen den Knechten. Er trug einen Kettenpanzer, den er wer weiß woher genommen hatte, dazu einen krummen Sarazenendolch im Gürtel. Hatte er diese Wehr erbeutet? Tiessa konnte sich das nicht vorstellen, denn bisher war Ivo keineswegs als großer Kämpfer in Erscheinung getreten. Viel eher war es möglich, dass er diese Dinge erhandelt hatte. Sein Blick, der sich immer wieder mit einem Ausdruck von Vorwurf und verhaltener Sehnsucht auf sie richtete, war ihr so lästig, dass sie sich schließlich hinter dem Rücken ihrer Herrin versteckte. In Yolanda von Villeneuve hatte sie eine energische Parteigängerin gewonnen, denn ihre Herrin konnte Ivo nicht ausstehen und hatte Jean Corbeille sogar davor gewarnt, diesem Mann seine Tochter anzuvertrauen. Was Jean jedoch nicht davon abgehalten hatte, Tiessa erneut zu bedrängen und sogar ein Zusammentreffen mit Ivo vorzuschlagen.
Der Priester, der den Grafen Rotrou zur letzten Ruhe segnete, stammte nicht aus dem Perche, er war ein Angehöriger des Johanniterordens und sprach das Französische mit einem fremden Zungenschlag. Man musste das Grab erneut ausschaufeln, bevor man den Toten hineinlegte, da die Ränder der Grube ständig einbrachen und der trockene Sand herabrieselte. Danach starrte Gottfried von Perche lange auf den schmalen, in einen kostbaren blauen Mantel gewickelten Körper seines Vaters, deckte ihn dann mit seinem hölzernen Schild, und erst als schon einige seiner Untertanen leise miteinander zu flüstern begannen, gab er den Befehl, das Grab zu schließen. Schweigend und in bedrückter Stimmung kehrte man zum Lager zurück. Viele mussten sich die Augen wischen, doch das konnte auch an dem heißen Wind liegen, der ihnen Sand und feinen Staub entgegenblies. Tiessa glaubte jedoch zu sehen, dass über die Wangen des Herrn von Perche glitzernde Tröpfchen rannen, die ganz sicher keine Schweißperlen waren. Er blickte nur ein einziges Mal zu ihr hinüber, und sie erschrak über den verschlossenen, abweisenden Ausdruck, mit dem er sie ansah. Ganz offensichtlich war er noch zornig auf sie und wollte nichts von ihr wissen.
Sie hatten noch nicht alle das Lagertor passiert, da vernahmen sie die aufgeregten Rufe der Wächter.
» Sarazenen! Eine Gruppe von zehn Männern hat die Stadt durch ein Seitentor verlassen. Sie bewegen sich auf das Lager zu! «
Die Nachricht versetzte die tatenlos herumsitzenden Ritter in Aufregung. Endlich. Der Erfolg war in greifbarer Nähe.
» Sie wollen verhandeln! Das sind Unterhändler! «
» Das Wasser steht ihnen bis zum Hals – jetzt geben sie auf! «
» Gelobt sei Gott, er gibt die Feinde in unsere Hände! «
Man sah Richard Löwenherz aus seinem Zelt treten, prächtig gekleidet, den Kopf wie ein Sarazene mit einem Tuch umwickelt. Das Fieber hatte bewirkt, dass ihm Haare und Fingernägel ausliefen, die nun wieder nachwachsen mussten. Auch der französische König war wie viele der Ritter von der überstandenen Krankheit gezeichnet. Man sagte sogar, dass er momentan immer noch fieberte und sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte.
Obgleich die friedliche Absicht der Delegation ziemlich offensichtlich war, wurde das Lager in Alarmbereitschaft versetzt, Pferde wieherten aufgeregt, Frauen und Kinder rannten durcheinander, Ritter und Knechte eilten zu ihren Waffen. Gewiss, die ganze Aktion konnte auch eine Falle sein – während die angeblichen Unterhändler die Aufmerksamkeit der Christen auf sich zogen, konnte Saladin von der anderen Seite das Lager angreifen.
Doch nichts dergleichen geschah. Man erkannte nun an der Kleidung, dass die Delegation aus drei Würdenträgern bestand, die Übrigen waren Knechte, die sie zu ihrem Schutz begleiteten. Die Gruppe verharrte in Rufweite zum Lager, erklärte, Verhandlungen mit dem Anführer der fränkischen Ritter führen zu wollen, und nannte den Namen » Richard Löwenherz «.
» Nun wird sich unser Herr, der französische König, nicht wenig ärgern « , bemerkte Yolanda bissig. » Aber es ist nicht zu übersehen, dass der Engländer selbst bei den Feinden das größere Ansehen genießt. Ich sage es nicht gern, aber Richard Löwenherz ist ein Teufelskerl, gegen ihn wirkt König Philipp wie ein Knappe. «
» Wie kannst du nur so oberflächlich urteilen? « , widersprach Beatrice. » Philipp von Frankreich mag keine strahlende Heldenfigur sein, sein Haar ist ein wenig struppig, und auch das blinde Auge schmälert sein Aussehen. Doch er ist ein kühler Kopf und ein
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