Die Braut des Kreuzfahrers
Erklärungen bereit schien. Er nickte ihr nur zu und bemerkte im Davongehen verdrossen, dass auch ein adeliger Herr nicht immer recht haben musste. Doch solle sie höflich anhören, was der Herr von Perche ihr zu sagen habe.
» Ja, Vater … «
Was für eine seltsame Botschaft. Hatte der Graf etwa vor, ihr wieder die Leviten zu lesen? Sie lief zurück ins Zelt, um Beatrice Bescheid zu geben, und fand sie auf dem Schemel sitzend, eifrig mit der Näharbeit beschäftigt, die eigentlich Tiessa hatte verrichten sollen.
» Der Graf lässt dich rufen? « , meinte sie kopfschüttelnd. » Du liebe Güte – er muss doch todmüde sein nach all den durchwachten Nächten. Wahrscheinlich schläft er jetzt, und man wird dich gar nicht zu ihm lassen. Aber geh nur – sonst heißt es noch, wir hätten dich davon abgehalten, einen Befehl des Grafen zu befolgen. «
» Ich bin gleich wieder zurück, Beatrice. Dann helfe ich dir mit dem Mantel. «
» Geschenkt! «
Tiessa wusste recht gut, dass Beatrice nicht wegen der unverrichteten Näharbeit verstimmt war. Sie fühlte sich einsam ohne Tiessa, denn mit den hochnäsigen adeligen Damen aus Burgund hatte sie sich nicht so recht anfreunden können, und von Yolanda war momentan nicht viel zu erwarten. Schmunzelnd dachte Tiessa darüber nach, dass eine adelige Dame nicht in allen Lebenslagen glücklicher als andere Frauen war. Eine Magd litt niemals unter Langeweile, sie hatte immer irgendwelche Verrichtungen zu tun. Aber eine Adlige konnte hier im Lager nur nähen, sticken, beten oder Gespräche führen. Alle anderen Beschäftigungen, denen sie zu Hause nachging, wie zur Jagd ausreiten, nach dem Hauswesen sehen oder sich um den Garten kümmern, waren hier nicht möglich. Beatrice hatte vor zwei Jahren eine kleine Tochter geboren, die auf der Burg bei der Amme zurückgeblieben war. Einmal hatte sie Tiessa gestanden, dass sie oft Sehnsucht nach ihrem Kind hatte. Dennoch war es ihr wichtig gewesen, ihren Ehemann ins Heilige Land zu begleiten, so wie es auch ihre Tante und ihre eigene Mutter vor Jahren getan hatten.
Tiessa hatte das Zelt des Herrn von Perche noch nicht erreicht, da entstand neue Unruhe im Lager. Knechte und Frauen drängten sich an ihr vorüber, ein Ritter fasste sie sogar an der Schulter und schob sie beiseite, sodass sie fast über einen umherliegenden Sattel gestolpert wäre.
» Hochfahrend und halsstarrig « , hörte sie jemanden verärgert ausrufen.
» Warum schickt man Saladin nicht ihre Köpfe hübsch auf Stangen gespießt? «
» Wie kannst du so reden? Es wäre ehrlos, einen Unterhändler zu töten. «
» Ach was – ehrlos. Hat Saladin ehrenvoll gehandelt, als er dem Ritter Rainald von Chatillon vor aller Augen den Kopf abschlug? «
» Der war kein Unterhändler, sondern sein Gefangener. «
» Willst du diese Heiden auch noch verteidigen? «
» Ach was! Schon morgen ist die Stadt unser. Dann werden sie den Starrsinn mit ihrem Blut bezahlen. «
» Recht hast du. Umso besser, wenn es kein Abkommen gibt. Ich mag es nicht, wenn man uns die vornehmen Weiber und die besten Beutestücke vorenthält. «
Tiessa begriff, dass die Abordnung aus der Stadt unverrichteter Dinge wieder abgezogen war. Vermutlich waren Richards Bedingungen so hart, dass man sie trotz aller Not nicht akzeptieren wollte. Ein ungutes Gefühl beschlich sie, während sie im Vorübergehen dieses oder jenes Gespräch aufschnappte. Es war etwas in der Sprechweise und im Tonfall dieser Männer, das ihr bisher unbekannt gewesen war und das sie erschreckte, so wie man über einen harmlosen und treuen Hund erschrak, der plötzlich den eigenen Herrn anknurrte. Ob adeliger Ritter, ob Knappe oder einfacher Knecht – aus ihnen allen sprach die kalte Gier.
Die Gier, die eine Todsünde war. Die hier im Heiligen Land aber zu einer gottgefälligen Tat wurde.
Vor dem blauen Zelt, in dem der Graf von Perche Quartier bezogen hatte, saß Bertran mit gekreuzten Beinen. Er war eifrig damit beschäftigt, die Pfeile, die er nach dem letzten Angriff der Sarazenen im Lager eingesammelt hatte, wieder anzuspitzen und verlorene Federchen zu ersetzen. Als er Tiessa sah, strahlte er sie mit kindlicher Freude an. Seitdem sie sich auf dem Schiff ein wenig um ihn gekümmert hatte, hatte er Vertrauen zu ihr gefasst wie zu einer älteren Schwester.
» Wartet – ich melde Euch an « , rief er und legte den Pfeil, an dem er gerade schnitzte, beiseite. » Der Herr hat schon nach Euch gefragt. Er ist sehr müde, aber er will
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