Die Braut des Kreuzfahrers
beiden Frauen auszutauschen, doch besonders Amicia, die fürchterlich unter der Hitze litt, bat sie eindringlich, so bald wie möglich zu ihr nach Tyros zu kommen, um in ihre Dienste zu treten. Als die beiden Damen wieder abreisten, schlossen sich ihnen die meisten Frauen und Mägde aus dem Perche an, da man es angenehmer fand, gemeinsam in Tyros zu bleiben, bis das christliche Heer die Stadt Jerusalem von den Heiden gereinigt hatte. Nicht lange danach füllte sich das Haus auf geheimnisvolle Art mit hellen Frauen- und Kinderstimmen, die sich fröhlich und unbefangen in einer fremden Sprache unterhielten. Auch Knechte tauchten auf, die nicht aus dem Perche, sondern hier aus Akkon stammten. Es hieß, sie seien Mädge, die die Ritter in Dienst genommen hatten, doch sogar dem frommen Grafen von Perche musste aufgefallen sein, dass ihre Dienste von besonderer Art waren.
» Du solltest diese Frauen nicht verurteilen « , sagte Dinah. » Es sind Witwen gefallener Kämpfer, die ihre Kinder und Familien durchbringen müssen. Wer weiß – vielleicht glaubt manche sogar daran, dass der Franke bei ihr bleiben und sie zur Ehefrau nehmen wird. «
» Weshalb sollten sie so dumm sein? «
» Sie sind verzweifelt, denn niemand nimmt sich ihrer an. Und nur wenige verstehen die Sprache der Franken. «
Jeden Abend erschien Gottfried von Perche im Krankenzimmer, grüßte die beiden Frauen mit ernster, ein wenig verlegener Miene und kniete neben dem Lager seines Verwalters nieder. Zu Anfang hatten die beiden sich leise miteinander unterhalten, später, als Jean Corbeille kaum noch sprechen konnte, hatte der Graf ihm aus der Heiligen Schrift vorgelesen, wozu er einen seiner dicken, schön geschmückten Folianten mitbrachte. Tiessa hatte die lateinischen Texte ebenso wenig verstanden wie ihr Vater, dennoch klangen ihr die Worte bekannt in den Ohren, und es war angenehm, der leisen, warmen Stimme des Herrn von Perche zu lauschen. Vor zwei Tagen aber hatte Jean Corbeille die Augen geöffnet und den Grafen gebeten, einen Priester kommen zu lassen. Noch in der Nacht hatte Tiessas Vater die Sterbesakramente erhalten.
Als der Graf heute bei ihnen eintrat, trug er den Geruch von Weihrauch mit sich, denn er hatte eine Abendmesse in St. Andreas besucht. Er näherte sich dem Kranken auf leisen Sohlen, grüßte die dort sitzende Dinah mit einer Neigung des Kopfes und legte den Zeigefinger über seine Lippen.
» Lassen wir sie schlafen « , flüsterte er und blickte hinüber zu Tiessa, die sich auf die Polster gelegt hatte, um ein wenig auszuruhen.
» Ihr habt recht, Herr « , flüsterte Dinah. » Sie hat die halbe Nacht und den ganzen Tag bei ihm gesessen, ich sorge mich schon, dass sie selbst krank werden könnte. «
» Das möge Gott verhüten « , gab der Graf von Perche zurück, und er kniete, wie es seine Gewohnheit war, neben dem Krankenlager nieder. Aber Tiessa schlief nicht. Eine seltsame Unruhe – stärker als alle Erschöpfung – hielt sie wach und ließ ihr Herz ungewohnt rasch und unregelmäßig schlagen. Eigentlich hätte sie jetzt aufstehen und den Grafen begrüßen müssen, doch sie regte sich nicht, blickte nur unter halbgesenkten Lidern auf den hochgewachsenen Mann, der neben dem Krankenlager kniete und ihrem Vater jetzt sacht die Hand auf die Stirn legte. Es war eine ungemein liebevolle, fast zärtliche Geste, und sie erinnerte sich, dass Gottfried von Perche auch am Sterbelager seines eigenen Vaters ausgeharrt hatte. Ein warmes Gefühl stieg in ihr auf, und sie verspürte den Wunsch, die Arme um ihn zu legen und ihre Wange an die seine zu schmiegen. Wie merkwürdig – es musste an der langen Schlaflosigkeit liegen, die ihr jetzt auch im Wachen Traumbilder vorgaukelte –, Graf Gottfried erschien ihr so vertraut, als habe sie ihn schon gekannt, noch bevor sie in diese Welt kam.
» Hör mir zu, Dinah « , hörte sie ihn leise murmeln. » Ich glaube, dass du Tiessa eine kluge und verlässliche Freundin bist. Deshalb bitte ich dich, sie nicht zu verlassen, wenn sie in die Heimat reist. «
Tiessa konnte sehen, dass Dinah ihm ihr Gesicht mit einem erstaunten Lächeln zuwandte.
» Ihr wollt, dass ich Tiessa ins Land der Franken begleite? «
» So ist es « , nickte er. » Wenn du einverstanden bist, dann werde ich dich gut dafür entlohnen und später für dich sorgen. «
Er schwieg und wartete gespannt auf Dinahs Antwort, doch die junge Sarazenin war von diesem Vorschlag zu überrascht, um schon eine Entscheidung zu
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