Die Braut des Kreuzfahrers
die Gerechten des Herrn zur ewigen Heimat werden sollte. Tiessa war der festen Meinung, dass ihr Vater ein Anrecht auf diesen Garten besaß, selbst wenn er das heilige Jerusalem zu Lebzeiten nicht mehr sehen würde.
» Tiessa? Schläfst du? «
Es war Bertran, der so leise wie möglich in den Raum getreten war. Er trug eine kleine Schale mit süßem Brei, in dem ein Löffel steckte, außerdem einen Becher mit duftendem, gewürztem Wein.
» Ich bin wach, Bertran. Aber sei trotzdem leise, Dinah hat sich nun endlich schlafen gelegt. Zeig mal, was du Schönes bringst. «
» Der Koch hat ein rohes Ei und Zucker in den Gerstenbrei gerührt. Ein wundervolles Zeug, dieser Zucker. Sie sagen, er wird aus dicken Röhren gepresst, ganze Wälder gibt es davon. Wer dort lebt, der braucht sich nur ein Rohr abzubrechen und daran zu saugen, gleich fließt ihm die Süße ins Maul. «
Er hockte sich neben Tiessa auf den Boden und stellte seine Last auf einem niedrigen Tisch ab. Mitleidig schaute er auf den Kranken, dann wanderte sein Blick hinüber zu Dinah, die in einer entfernten Ecke des Raumes auf einem Polster schlief. Er wirkte auf einmal kummervoll, vermutlich dachte er daran, dass er die vertraute Gesellschaft der beiden Frauen bald missen würde, da er seinem Herrn in den Kampf folgen musste.
» Gibt es Neuigkeiten? « , wollte Tiessa wissen.
Sie gähnte und streckte die Arme in die Höhe, wobei sie die Hände zu Fäusten ballte. Dann kostete sie probeweise von dem Brei und nippte ein wenig an dem gewürzten Wein. Es war fraglich, ob der Kranke überhaupt noch Nahrung zu sich nehmen konnte, doch man musste es versuchen.
» Neuigkeiten gibt es immer « , schwatzte Bertran, dessen Gesicht schon längst wieder die gewohnte, schmale Form angenommen hatte. » Es fragt sich nur, ob es gute oder schlimme Neuigkeiten sind. «
» Schlimme Neuigkeiten mag ich nicht hören « , gab Tiessa zurück. » Erzähle mir lieber etwas Schönes. «
Sie schob sacht den rechten Arm unter den Nacken des Kranken und richtete ihn vorsichtig zum Sitzen auf. Jean Corbeille war zeitlebens ein schlanker, aber sehniger Mann gewesen, jetzt war sein Körper ausgezehrt und so schwach wie der eines Kindes. Ein durchscheinender weißer Vollbart umhüllte seine eingefallenen Wangen, die Nase ragte schmal und spitz aus seinem Gesicht hervor, ein sicheres Zeichen dafür, dass ihr Vater nicht mehr lange auf Erden verweilen würde. Er hatte während der vergangenen Tage immer wieder von der Heimat geredet, von den Hügeln bei Nogent-le-Rotrou, von den Äpfeln, die sie im Herbst gepflückt hätten. Seine kleine Tiessa, die mit Jordan in einem großen Apfelkorb gesessen habe. Corba, die am Abend Äpfel schnitt und jedem seinen Anteil zuschob. Er hatte sehr viel von Corba erzählt, doch waren dies Dinge, die niemanden etwas angingen und die Jean zeitlebens vor aller Welt verborgen hatte, denn er war kein Mensch, der sein Herz auf der Zunge trug.
» Vater? Vater, schau doch, was Bertran dir gebracht hat. Trink einen Schluck, es wird dir guttun. «
Bertran sah zu, wie Tiessa den Becher vorsichtig an die Lippen des Kranken setzte und es tatsächlich fertigbrachte, dass er einige Schlucke zu sich nahm. Dann aber musste er husten, und Tiessa stellte den Becher rasch zurück auf den kleinen Tisch.
» Nun erzähl schon, Bertran. Gib dir Mühe! «
Bertran begriff, dass der Kranke für einen kurzen Moment aus der verworrenen Welt seiner Träume zurückgekehrt war, und er beeilte sich, von einer Begegnung mit dem Heerführer Richard Löwenherz zu reden. Auf dem Weg zum Markt sei der König mit seinem Anhang urplötzlich auf einem Platz zwischen den Gebäuden aufgetaucht, und er, Bertran, habe sich gerade noch in den Laden eines Gemüsehändlers flüchten können, sonst hätte ihn das Pferd des Königs umgerissen. Prächtig sei er dahergekommen, der Löwenherz, in einem leuchtend roten Waffenrock, der – wenn seine Augen ihn nicht ganz und gar getäuscht hätten – mit silbernen Halbmonden bestickt gewesen sei. Ein Wehrgehänge aus Seide habe er an der Seite gehabt, und die Scheide seines Schwerts sei mit Gold und Silber eingelegt gewesen. Adelige Ritter seien in seinem Gefolge gewesen, die er leider nicht mit Namen nennen könne, nur den Lusignan habe er gekannt und den Herzog von Burgund. Sie seien alle vor dem Laden eines griechischen Händlers, eines Juden, abgestiegen, weil der König unbedingt die schönen Folianten besehen und einige davon kaufen wollte. Und
Weitere Kostenlose Bücher