Die Braut des Kreuzfahrers
wie seine Augen geleuchtet hätten, als er die Bücher betrachtete, er habe mit dem Juden sogar Scherze getrieben und ihn in guten byzantinischen Goldstücken entlohnt.
Der Kranke hatte tatsächlich die Augen geöffnet, und er schien Bertrans blumigen Schilderungen zu lauschen. Bald jedoch erlahmte seine Aufmerksamkeit und Tiessa musste ihn zurück in die Polster gleiten lassen, ohne dass er einen einzigen Löffel von dem süßen Brei geschluckt hatte.
» Vielleicht hätte er lieber gehört, dass Richard Löwenherz sein Heer sammelt, um gegen Jerusalem zu ziehen « , seufzte Bertran. » Aber das wird wohl nicht geschehen, bevor Saladin die Goldstücke gezahlt hat und alle Gefangenen ausgetauscht wurden. «
Jetzt, da der Kranke wieder schlief, erzählte Bertran leise, dass am heutigen Morgen viele Christen aus der Umgebung in die Stadt geflüchtet seien.
» Ganze Familien mit Kindern und Alten, die ihre Habe auf einer Karre vor sich herschoben. Einem war Haar und Bart versengt, ein anderer schleppte sich auf Krücken in die Stadt. Vor allem die Kleinen dauerten mich, die schauten aus großen entsetzten Augen … «
Es war nicht das erste Mal, dass sich Christen, die in der Nähe Land und Besitz hatten, in die Stadt flüchten mussten, denn Saladin ließ alle Dörfer und Ortschaften um Akkon verwüsten.
» Der Sarazene weiß sehr wohl, dass die Kreuzfahrer sich nicht mit Akkon zufriedengeben werden. Also lässt er Städte und Dörfer zerstören, bevor die Christen sie erobern können. «
» Aber was hat er davon, wenn er seine Ortschaften zerstört, anstatt sie gegen die Kreuzfahrer zu verteidigen? «
Bertran setzte ein Lächeln auf, das Tiessa an ihm bisher noch nicht wahrgenommen hatte. Das wissende Lächeln des älteren Bruders, der seiner kleinen Schwester die Regeln des rauen Kriegshandwerks erklären muss.
» Es lohnt nicht, wegen ein paar kleiner Dörfchen zu kämpfen, Tiessa. Er sorgt nur dafür, dass die Kreuzfahrer dort weder Brennmaterial noch Vieh noch Lebensmittel finden – eben nichts, was ihnen von Nutzen sein könnte. Verstehst du? «
Nein, das verstand sie nicht, wollte es auch nicht verstehen. Auch nicht, als er ihr versicherte, dass nicht nur Sultan Saladin, sondern alle Heerführer es so hielten. Lieber brannte man die Scheune mitsamt den Feldfrüchten ab und schüttete den Brunnen zu, als dass man dies alles dem Feind überließ. Lieber gab der Ehemann seinem Weib selbst den Tod, als dass er zusah, wie die Kriegsknechte über sie herfielen.
» Hör auf « , schalt sie ihn. » Sagte ich nicht, dass du schlimme Neuigkeiten für dich behalten sollst? «
Bertran schwieg betreten, und Tiessa tat es gleich darauf schon wieder leid, ihn so angefahren zu haben. Es musste die brütende Hitze sein, das penetrante Summen der Insekten in dem schlecht gelüfteten Raum. Die Müdigkeit. Das schreckliche Gefühl, hilflos zusehen zu müssen, wie ihr Vater langsam in die andere Welt hinüberglitt. Ach, sie hatten Seite an Seite gegen den Tod gekämpft, denn Jean Corbeille hatte nicht sterben wollen, er sorgte sich um Corbas Seelenheil, für das er doch beten musste. Doch Corba hatte der Tochter nicht alle ihre Geheimnisse offenbart, vieles hatte sie sich für später aufbewahrt, und Tiessa hatte es niemals erfahren. Als sie mit ihrer Weisheit am Ende war, hatte Dinah sie zu einem jüdischen Arzt geführt, der ihnen reines Rosenöl und Wein gab, um die Wunde damit zu reinigen, doch umsonst. Später schüttelte der Jude nur traurig den Kopf und mischte ihnen ein Pulver, das dem Kranken die Schmerzen nahm. Es sei das Einzige, das man noch für ihn tun könne. Der Jude ließ sich für dieses Pulver gut bezahlen, doch es tat seinen Dienst.
Sobald die lähmende Mittagszeit vorüber war, begann es in dem weitläufigen Gebäude wieder lebendig zu werden. Es hatte einen kurzen Besuch von Vallette von Brionne und Amicia von Vaudet gegeben. Sie waren mit einem Handelsschiff von Tyros herübergefahren, um ihre Ehemänner zu sehen, die beide zum Glück am Leben und bei guter Gesundheit waren. Die adeligen Damen brachten die traurige, aber nicht unerwartete Kunde, dass die alte Godvere inzwischen das Zeitliche gesegnet habe. Sie sei still und fast glücklich eingeschlafen, da sie doch im Heiligen Land verschied und ihre letzte Ruhe in der gleichen Erde finden würde, auf die einst Gottes Sohn seine Füße gesetzt hatte. Tiessa, die mit der Pflege ihres Vaters beschäftigt war, fand nicht allzu viel Zeit, sich mit den
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