Die Braut des Kreuzfahrers
fällen.
» Selbst wenn ich im Kampf sterbe « , fügte Gottfried hinzu, » gilt mein Wort, denn ich werde Tiessa ein Schreiben an meinen Bruder mitgeben, und er wird meinen Willen respektieren. «
» Ihr werdet nicht sterben, Herr « , sagte Dinah mit leiser, warmer Stimme. » Allah wird Euch das Leben erhalten, denn Ihr seid ein guter Mensch. «
Tiessas Herz zog sich zusammen bei dem Gedanken, dass der Herr von Perche sterben könnte. So viele Ritter waren hier im Heiligen Land ums Leben gekommen, verschmachtet, am Fieber dahingesiecht, von den Pfeilen der Sarazenen durchbohrt worden. Weshalb sollte ausgerechnet der Graf von Perche überleben? Hatte es Gott den Herrn bisher gekümmert, ob die Erschlagenen gute oder schlechte Menschen gewesen waren?
Ein heftiger Zorn erfasste sie, und sie richtete sich zum Sitzen auf, zog schon die Knie hoch, um sich vom Lager zu erheben und neben ihn zu treten. Lohnte es wirklich, dass er für den Kampf der Kreuzfahrer sein Leben aufs Spiel setzte? Würde es Gott dem Herrn tatsächlich gefallen, dass die christlichen Ritter das heilige Jerusalem eroberten, um dort zu plündern und zu stehlen? Ach, er war ihr kostbar, durfte nicht sterben, denn sie beide waren miteinander vertraut seit Anbeginn der Welt.
Fast hätte sie solch unsinnige Dinge vor ihm ausgesprochen, doch in dem Augenblick, als sie den Mund auftat, erhob sich unten auf der Gasse lautes Getöse. Frauen kreischten in heller Wut, Männer brüllten Verwünschungen, man vernahm das helle Geschrei halbwüchsiger Kinder. Irgendwo stieß ein Esel angstvolle Laute aus, Hunde kläfften und direkt unter dem Fenster zerschellte ein großes Gefäß aus Ton.
» Eine Diebesbande « , sagte Gottfried von Perche, der aufgesprungen war, um aus dem Fenster zu sehen. » Gott weiß, was sie erbeutet haben. Es sind Kinder, für die niemand sorgt. «
Tiessa schwankte ein wenig, als sie über die Teppiche ging. Ihr Kopf schien vollkommen leer, und trotz der Augustwärme fror sie am ganzen Körper. Sie sah, wie Gottfried sich überrascht zu ihr umwandte, erkannte den mitleidigen Ausdruck in seinen Zügen, denn sie musste ihm wohl totenblass erscheinen, dann aber fiel ihr Blick auf ihren Vater.
Jean Corbeilles unsterbliche Seele hatte seinen Leib verlassen.
Schon am folgenden Morgen trugen sie den Leichnam vor die Stadt, um den Verwalter des Grafen von Perche der fremden Erde zu übergeben. Tiessa hatte ihn mit seinem Leibrock aus gutem grünem Tuch bekleidet, dazu Beinlinge und Stiefel, auch die bestickte Mütze aus rotem Sammet, die Corba einst für ihn angefertigt hatte, fehlte nicht. Etliche Ritter aus dem Perche folgten dem Zug mit ihren Knappen und Knechten. Einige waren jedoch nicht auffindbar gewesen, sie hatten wenig Lust gehabt, die angenehmen Stunden bei Wein, Weib und Würfelspiel wegen einer tristen Beerdigung zu unterbrechen, noch dazu bei dieser Hitze. Ja, wenn es noch ein Ritter oder gar der Graf von Perche selbst gewesen wäre, den man da zur letzten Ruhe geleiten wollte. Aber wer war schon dieser Jean Corbeille? Ein Ministeriale, nichts weiter.
Tiessa hatte das Empfinden, einen bösen Traum zu durchleben. Wie abwesend lief sie hinter den beiden Knechten her, die den Leichnam ihres Vaters auf einer Bahre trugen. In ihren Ohren rauschte das Meer, ihre Füße spürten den Boden nicht. Waren das die Mauern von Akkon, jener großartigen weißen Stadt, die sie bei ihrer Ankunft so bewundert hatte? Jetzt erschien ihr die Befestigung hässlich, die Mauern beschädigt, überall lag Schutt und Geröll umher, an vielen Stellen auch Unrat und Exkremente, die man einfach über die Zinnen gekippt hatte.
» Hast du gesehen? « , murmelte einer der Ritter hinter ihr. » Sie treiben die Gefangenen vor die Stadt. «
» Wahrscheinlich wird es einen Austausch geben « , meinte ein anderer. » Hoffentlich spielt dieser Sarazene nicht wieder ein falsches Spiel. Beim letzten Mal hat er uns nur die armen Schweine geschickt und die adeligen Gefangenen zurückbehalten. «
» Schweigt « , gebot Gottfried von Perche leise seinen Lehnsleuten. » Nehmt Rücksicht – der Tote ist noch nicht unter der Erde. «
» Ach was « , knurrte der Ritter. » Der alte Jean Corbeille würde uns unser Geschwätz gewiss nicht verübeln. «
Tiessa spürte Dinahs Arm, der sich um ihre Schultern legte, und lauschte ihrer warmen, weichen Stimme, die ihr tröstende Worte ins Ohr flüsterte. Allah ist überall, Tiessa. Wir alle kommen von ihm und gehen zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher