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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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bleierne Müdigkeit sie schon wieder hinabziehen wollte.
    » Schlaf jetzt, Mädchen. Schlaf dich aus. Im Perche werden wir uns wiedersehen. Im Perche, wenn dort die Äpfel reifen … «
    Sie wollte ihm sagen, dass er besser nicht für das heilige Jerusalem kämpfen solle. Doch dann wurde ihr bewusst, wie albern solch eine Bitte geklungen hätte, und sie überließ sich lieber dem süßen Schlummer.

30
    E in Geräusch riss sie aus dem Schlaf, ein hässliches Knirschen, als schleiften Sandkörner über eine Steinplatte. Sie lag mit weit aufgerissenen Augen auf dem Rücken, wie gelähmt vor Angst, unfähig ein Glied zu rühren. Dämmerung umgab sie, drüben neben Dinahs Lagerstätte zog das Flämmchen einer Öllampe einen schwachen gelblichen Kreis um sich.
    Ich bin in Akkon, dachte sie. Dinah ist bei mir. Wir sind hier vollkommen sicher, denn in diesem Haus wohnt der Herr von Perche mit seinen Rittern und Knechten … Es gibt keinen Grund, wegen eines dummen Traums in solche Panik zu geraten.
    Doch ihr Herz pochte nach wie vor so heftig, dass sie es im ganzen Körper spüren konnte. Sie setzte sich auf und entdeckte gleich neben ihrem Lager Becher und Krug. Hastig griff sie danach, stellte fest, dass gewässerter Wein im Krug war, und goss sich davon ein. Das laue Getränk erfrischte sie zwar wenig, doch es brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie war krank gewesen, hatte gefiebert und danach lange geschlafen. Jetzt überfiel sie auch die Erinnerung an den Tod ihres Vaters, die Beerdigung auf dem christlichen Friedhof und die seltsamen Vorgänge am Stadttor. Was war dort geschehen? Was hatten die Leute doch geredet? Hatte man nicht Gefangene austauschen wollen?
    Sie warf einen unsicheren Blick auf Dinah, die zusammengerollt wie eine junge Katze dalag und ihr Kopfpolster mit beiden Armen umschlang. Nein, sie würde sie auf keinen Fall aufwecken, Dinah war gewiss erschöpft und brauchte ihren Schlaf. Wie dunkel es war – es musste gegen Morgen sein, die Stunde, da Mond und Sterne schon verblasst waren, der erste Lichtschein aber noch auf sich warten ließ.
    Sie legte sich wieder zurück und versuchte, die dumme, unsinnige Angst loszuwerden. Es war dieses seltsame Geräusch gewesen, das die Furcht ausgelöst hatte. Ein Schleifen, als ob eine hölzerne Tür über den Steinboden gleitet, es konnte auch eine Truhe sein, die jemand von der Stelle schob. Vielleicht hatte draußen auf der Gasse jemand eine Kiste vorübergetragen und war dabei gegen die Mauer gestoßen? Ach – viel wahrscheinlicher war, dass sie einfach nur geträumt hatte. Schluss mit diesen dummen Träumen, sie war jetzt wach, und sie fühlte sich gesund.
    Ihr Herz aber wollte nicht ruhiger werden, und als sie die Hand auf ihre Brust legte, spürte sie dort einen Klumpen. Einen Beutel, der an einem Band um ihren Hals hing. Sie erstarrte, und blitzartig überkam sie das Bewusstsein, dass der Graf fort war und sie hier allein gelassen hatte. Gottfried von Perche war mit dem Heer des Richard Löwenherz davongezogen. Vorher aber hatte er ihr Geld gegeben, dazu zwei Knechte und eine Magd, denn er wünschte, dass sie zurück ins Perche reisen sollte.
    Im Perche werden wir uns wiedersehen …
    Sie umklammerte den verdammten Lederbeutel mit beiden Händen und verspürte einen tiefen, schmerzhaften Kummer. Wenn dort die Äpfel reifen – hatte er das nicht gesagt? Ach, er würde niemals zurückkehren. Weil er im Kampf um das heilige Jerusalem sterben würde. Und vielleicht – Himmel, wer gab ihr solch schlimme Gedanken ein –, vielleicht war es auch besser so. Vielleicht war es Gottes Wille, dass sie einander niemals wiedersahen, denn es konnte nichts Gutes dabei herauskommen.
    Langsam zog sie den Beutel unter ihrem Gewand hervor, hielt ihn an dem ledernen Band und besah ihn. Selbst im schwachen Dämmerlicht war deutlich, dass es ein teures Stück war, aus weichem Leder gefertigt und mit Seidenfäden bestickt. Die Löcher, durch die das Band gezogen war, waren sorgsam mit feinen Stichen eingefasst. Langsam zog sie die Öffnung auseinander und sah goldene Münzen glänzen, Nomisma aus Byzanz, die man auch Besant nannte. Graf Gottfried hatte sie reich ausgestattet. Wenn sie sparsam und vorsichtig handelte, konnte sie sogar noch einen Teil dieses Geldes mit ins Perche nehmen.
    Sie zog das Band wieder zusammen und hängte sich den Beutel um den Hals. Wollte sie tatsächlich zurück in ihre Heimat? Aber wohin sollte sie sich sonst begeben? Was hielt sie hier im

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