Die Braut des Kreuzfahrers
ungeduldigen Herren war ihr Schritt viel zu langsam. Besonders die vier Klosterfrauen hielten sie auf. Die alte Agnes taumelte und war bereits zweimal in sich zusammengesackt, Amicia, die nur wenig sehen konnte, stolperte über jeden im Weg liegenden Stein. Sie blutete, denn sie hatte sich bei einem Sturz die Lippe aufgerissen.
Weshalb quälen sie die armen Frauen noch mit diesem Fußmarsch, wenn sie ja doch vorhaben, uns allesamt zu töten?, dachte Tiessa zornig. Dann fiel ihr ein, was ihr Vater damals über die Sarazenen gesagt hatte, und sie begriff, dass der Tod vielleicht nicht einmal das Schlimmste war, das ihnen bevorstand.
Verzweifelt sah sie sich um, es musste doch eine Möglichkeit geben, diesen grausamen Heiden zu entfliehen. Vor allem musste sie versuchen, sich zu orientieren, um später zum Meer zurückzufinden. Unbestreitbar war, dass sie sich nach Osten bewegten und zunächst einem Tal folgten, durch das der Flusslauf sich schlängelte. Dann aber waren sie auf einem schmalen Pfad bergan gestiegen und befanden sich jetzt auf halber Höhe. Hier gab es Buschwerk und niedrige Bäume, und man passierte hie und da eine kleine Siedlung mit schmutzigen, kastenförmigen Gebäuden, vor denen Hühner und Ziegen umherliefen. Von den Bewohnern war nichts zu sehen, vielleicht hielten sie sich vor den durchziehenden Kämpfern verborgen.
Wenn der Weg sich für eine Weile verbreiterte oder gar eine Wiese zur Verfügung stand, trieben die Reiter ihre Pferde zu allerlei Kapriolen, da sie sich bei dem langsamen Ritt langweilten. Tiessa brachte nun keine Bewunderung mehr für die Reitkünste dieser Männer auf. Sie waren Krieger und Mörder, nicht besser als Richard Löwenherz, der den Tod so vieler Menschen befohlen hatte.
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A uf einer kahlen Felsplatte ließ man die alte Agnes zurück. Sie war zusammengebrochen, und weder Schläge noch Fußtritte hatten sie dazu bewegen können, wieder aufzustehen. Einer der Männer drehte ihren reglosen Körper auf den Rücken und zog den krummen Säbel, um ihr den Kopf abzuschlagen. Dann überlegte er es sich jedoch, stieg über sie hinweg und schob den Säbel zurück in die Scheide. Vermutlich ging es gegen seine Ehre, eine alte Frau zu köpfen, die sowieso in Kürze sterben würde.
Sie sind schlimmer als Tiere, dachte Tiessa, der die Tränen über die Wangen liefen. Gleichgültig lassen sie die Unglückliche hier liegen, damit sie verschmachtet oder wilde Bestien über sie herfallen. Sie erlauben ihren Mitschwestern nicht einmal, von ihrer Vorsteherin Abschied zu nehmen.
» Es ist meine Schuld « , hörte sie Dinahs traurige Stimme. » Ich war es, die dich zu dieser Reise überredete. Ach Tiessa, ich habe doch geglaubt … «
Ein Stoß gegen ihre Schulter zwang sie, den Satz zu unterbrechen und weiterzugehen. Ihre Peiniger machten nicht viele Worte, sie ließen Schläge sprechen.
» Du musst dir keine Vorwürfe machen « , sagte Tiessa. » Ich habe diese Entscheidung selbst gefällt und bin selbst dafür verantwortlich. «
Dinah schwieg, entweder wollte sie dem nichts entgegensetzen, oder sie fürchtete sich vor weiteren Misshandlungen.
» Hast du eine Ahnung, wohin sie uns bringen? « , fragte Tiessa nach einer Weile.
» Wahrscheinlich auf eine der kleineren Burgen, die hier im Gebirge verstreut sind. Sie sind Gefolgsleute irgendeines Emirs, der seine Kämpfer sammelt, um zu Saladins Truppen zu stoßen. «
Dieses Mal unterbrachen sie ihre Bewacher nicht – offenbar störte man sich gar nicht daran, dass die Gefangenen miteinander redeten, solange sie nur stetig vorangingen.
» Aber weshalb haben die Kreuzritter auf der Burg Casal Imbert uns nicht geholfen? «
» Ich weiß es nicht, Tiessa. Vielleicht gibt es momentan nur wenige Ritter auf der Burg, weil die meisten mit Richard Löwenherz nach Süden gezogen sind. «
Das war sehr gut möglich. Es war schließlich viel ehrenvoller, die Heilige Stadt zu befreien, als auf einer Burg zu sitzen, um Land und Leute zu schützen. Und doch, dachte Tiessa bitter. Wäre sie eine Königstochter gewesen oder auch nur eine vornehme Adlige, dann hätten die Ritter wohl für sie gekämpft. Aber wer wollte sich schon für eine Magd aus dem Perche einsetzen? Eine Witwe aus Akkon? Vier arme Klosterfrauen, die niemand kannte und für die sich niemand verantwortlich fühlte?
Immer noch stieg der Weg bergan, doch inzwischen sah man überall kleine Felder und Äcker, auf denen Melonen, Kürbisse und Kohlköpfe wuchsen. Hier oben in den
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