Die Braut des Kreuzfahrers
in Akkon nicht mehr viel zu verdienen gab, seitdem das Kreuzfahrerheer davongezogen war. Plötzlich fiel ihr Ambroise wieder ein, den sie im Hurenviertel des Kreuzfahrerlagers getroffen hatte. Er umgab sich mit solchen Frauen, machte mit ihnen Geschäfte, zog mit ihnen durch die Lande. Ein Fantast war er schon als Knabe gewesen, ein kleiner Schwindler, ein geschickter Gaukler, ein frecher Dieb – und doch hatten sie ihn vermisst, als er damals so überraschend verschwand. Ambroise – der sie so mutig beschützt hatte. Wo er wohl sein mochte? Ob er überhaupt noch am Leben war?
Die Steige von Tyros erhob sich nun immer deutlicher vor ihnen, ein helles Bergmassiv, das ins Meer hineinragte und ihnen den Weg verstellte. Im oberen Bereich war der Fels von Gras und niedrigem Buschwerk bewachsen, dort, wo er steil zum Meer hin abfiel, erschien das Gestein strahlend weiß. Es leuchtete in der Sonne, sodass Tiessa sich vorstellte, es bestünde aus Schnee und würde längst zerschmolzen sein, wenn sie das Hindernis erreichten. Doch der Rosh ha Nikra tat ihnen diesen Gefallen nicht. Beharrlich blieb er am Meeresufer liegen, wie ein boshafter weißer Geist, der vor langer Zeit diesen Ort besetzt hatte, um die Reisenden zu zwingen, über seinen schrundigen, grünen Buckel zu kriechen.
» Ist er nicht schön? « , rief Dinah voller Begeisterung. » Er leuchtet wie Silber, und das Meer zu seinen Füßen glänzt wie ein zarter Aquamarin. «
Es war bereits Nachmittag, und die Sonne stand ihnen im Rücken. Von dem weiß schimmernden Gestein schienen sich Teile abzulösen, helle Felsstücke rollten von der Spitze des Berges hinunter bis an den Strand. Dort bekam die Gerölllawine Konturen, formte sich zu einer Gruppe Reiter, die alle in weiße, flatternde Pumphosen und lockere Jacken gekleidet waren. Auch die Pferde waren weiß, gleißend und feindlich wie die Strahlen der Mittagssonne.
» Das sind Krieger « , stammelte Dinah. » Saladins Kämpfer … «
32
D ie drei Händler fassten ihre Maultiere beim Halfter, und die Wagen kamen zum Stehen. Schweigend erwarteten die Muselmanen die Begegnung, die sie eigentlich nicht zu fürchten hatten. Oder doch? Die Reiter verließen jetzt den Strand, wo sie im feuchten Sand galoppiert waren, und lenkten ihre Tiere die Böschung hinauf zum Weg. Dort wirbelte die Gruppe eine gelbliche Staubwolke auf, die sich den Reisenden mit bedrohlicher Eile näherte.
» Du sagst kein Wort « , flüsterte Dinah ihrer Freundin zu. » Lass mich reden, ich gebe dich als meine Cousine aus. «
» Sie werden uns gewiss nichts tun « , meinte Tiessa unsicher. » Die Kreuzfahrerburg ist doch noch in Sichtweite. In wenigen Minuten könnten die Ritter hier sein, um uns beizustehen. «
» Kein Wort – hast du mich verstanden? «
» Wenn du unbedingt willst … «
Trotz aller Besorgnis musste sie den Reitkünsten der heranstürmenden Männer doch Bewunderung zollen. Kein Kreuzritter konnte sich mit diesen Sarazenen vergleichen, die mit ihren kleinen, ausdauernden Tieren wie verwachsen schienen und selbst im wildesten Ritt den Pfeil sicher ins Ziel schossen.
» Was für ein Staub! « , jammerte Josepha und hustete.
» Weshalb haben sie es denn so eilig? « , wunderte sich Philippa.
» Waren das Reiter? « , fragte Amicia, die sich die tränenden Augen wischen musste.
» Wie unhöflich – jagen einfach vorbei, ohne uns zu begrü… «
Die Sarazenen waren in wildem Tempo auf sie zugestürmt, sodass man schon fürchten musste, sie würden die Reisenden einfach über den Haufen reiten. Dicht vor ihnen teilte sich die Reitergruppe jedoch, um unter Geschrei und Gejohle zu beiden Seiten an ihnen vorüberzupreschen. Wenn Philippa der Meinung gewesen war, die Begegnung sei damit beendet, dann hatte sie sich gründlich getäuscht.
Tiessa konnte die lauten Rufe der Männer nicht verstehen, doch ihr wurde klar, dass die eifrigen Krieger eine Art Spiel mit ihnen aufführten. Hinter der Reisegruppe fanden sich die Reiter wieder zusammen, zügelten die Pferde auf abenteuerliche Weise, sodass man schon fürchtete, die sich aufbäumenden Tiere wollten ihre Reiter abwerfen. Dann jagte man wieder zurück, und im Nu waren Wagen und Fußgänger von den Sarazenen umringt.
Es mochten an die zwanzig Männer sein, alle mit langen Krummschwertern und Streitbogen bewaffnet. Unter den hellen Gewändern ragten hie und da lederne Schutzpanzer hervor, an den Sätteln hingen blinkende Helme und Köcher mit gefiederten schwarzen
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