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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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mit großem Eifer beschnüffelt wurden. Auch zwei Ziegenböcke näherten sich den gefesselten Gefangenen, stießen sie mit den Köpfen und leckten ihnen Gesicht und Hände ab – gierig nach ihrem salzigen Schweiß. Die arme Josepha geriet über diese Zudringlichkeit in große Verzweiflung, sie hielt die schwarz-weißen, gehörnten Böckchen für Satans Gefährten, die über sie herfielen, um sie zu zerreißen.
    Die Diener und jungen Burschen hatten sich über das Geschrei der Klosterfrau köstlich amüsiert. Zu Tiessa und Dinah waren nicht wenige begehrliche Blicke gewandert, doch wagte keiner, sie zu berühren. Dafür ergriffen sie nun eifrig die Zügel der Pferde, um die wertvollen Tiere nach dem langen Ritt zu versorgen. Nicht jeder Krieger überließ sein Reittier so einfach ihrer Pflege. Einige begleiteten die dienstbaren Geister, redeten auf sie ein und schienen ihnen nicht zu vertrauen. Die meisten verschwanden jedoch im Wohnhaus, und es war zu vermuten, dass der Burgherr seine treuen Vasallen mit Speis und Trank gut versorgen würde.
    » Sie werden bald in den Kampf ziehen « , murmelte Dinah. » Niemand weiß, wer von ihnen dann vor den Pforten des Paradieses steht … «
    Tiessa begriff, was sie damit sagen wollte – die Männer würden essen und trinken, danach war zu erwarten, dass es sie nach weiteren Vergnügungen gelüstete. Eine große Hilflosigkeit überkam sie. Immer noch waren sie gefesselt und aneinandergebunden – selbst wenn es ihr gelungen wäre, auf die Füße zu springen und zu einer der Breschen in der Mauer zu laufen –, sie hätte die anderen Frauen hinter sich hergezogen und keine von ihnen wäre entkommen.
    Müde lehnten sie sich gegeneinander, und jetzt, da die Erschöpfung sich ungehindert in ihnen breitmachen konnte, begannen sie zu frieren. Auch die Schmerzen in den gefesselten Armen wurden fast unerträglich. Wie seltsam – sie spürten ihre Arme kaum noch, sie waren wie tot und schmerzten sie doch.
    » Sei leise … Gilbert darf es nicht hören « , hörte sie Dinah flüstern. » Er könnte nicht ertragen, was nun geschehen wird. Seine Taube, nennt er mich, seine Prinzessin … Er würde mich schützen, und dabei getötet werden … Sei leise, damit er nichts bemerkt … «
    Tiessa wurde klar, dass Dinah im Fieber redete, und sie hätte sie so gern tröstend umarmt, doch es war unmöglich. Nicht einmal einen Schluck Wasser konnte sie ihr geben, denn sie hatten immer noch weder Trank noch Speise erhalten. Plötzlich verspürte sie einen tiefen Zorn über alle Ungerechtigkeit, die ihnen widerfuhr. Was konnten sie dafür, dass der englische König ein grausames Massaker befohlen hatte? Es war schlimm genug, dass er dies getan hatte, nun aber sollten sie mit ihrem Leib und Leben für ihn die Zeche zahlen.
    Die Klosterfrauen hatten sich – halbtot vor Erschöpfung – einfach auf den Boden gelegt, und es war ihnen trotz der Fesseln gelungen, dicht aneinandergeschmiegt einzuschlummern. Tiessa beneidete sie um diese Sorglosigkeit – oder sollte man es Gottvertrauen nennen? Sie selbst lauschte voller Sorge auf jedes Geräusch, zuckte zusammen, wenn aus dem Haus Gelächter oder Getöse drangen oder wenn sich gar Schritte näherten. Ein paarmal war ein Sarazene hinaus in den Hof gestolpert, um sich an der Hauswand zu erleichtern, was er ohne Scham vor den Augen der gefangenen Frauen erledigte. Dann, als es schon dämmrig wurde und hinter der Mauer ein blasser, runder Mond aufstieg, humpelte eine alte Frau über den Hof. Tiessa hatte nicht gesehen, woher sie gekommen war, vielleicht aus einer der Hütten oder sie war vom Himmel gefallen. Sie war hässlich wie die Nacht, aus der sie kam, die Lippen faltig, die Nase lang und gebogen wie der Schnabel eines Marabu, die Hände knotig mit Nägeln wie gelbe Krallen. Dennoch war sie ein Engel, den Gott zu ihnen gesandt hatte, denn sie gab ihnen frisches, kühles Wasser zu trinken.
    Gegen Mitternacht, als der Mond hoch über ihnen in der sternbesäten Himmelskuppel stand, verstummte der Lärm im Wohnhaus und sie vernahmen nur noch die Geräusche der Nacht. Kleines Getier huschte an ihnen vorüber, das Laub der Büsche wisperte, hin und wieder stieß ein Nachtvogel einen langgezogenen Ruf aus, der an eine traurige, menschliche Stimme erinnerte. Dinah lag zusammengekauert am Boden in fiebrigem Schlaf, Tiessa saß bei ihr, den Rücken an die Hauswand gelehnt. Trotz der ungeheuren Erschöpfung wollte der Schlaf keinen dauerhaften Besitz von ihr

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