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Die Braut des Kreuzfahrers

Die Braut des Kreuzfahrers

Titel: Die Braut des Kreuzfahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilke Mueller
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erschien ihr dieses Weib vielmehr als eine Ausgeburt Satans.
    Nach diesem Kraftakt wirkten alle, sogar die Alte, ziemlich erschöpft. Der Glatzköpfige suchte seine Kappe, die er im Handgemenge verloren hatte, einer der Graubärte betupfte sich die zerkratzte Wange, während der andere seinen zerbissenen Finger von allen Seiten mit Besorgnis betrachtete. Die beiden Knaben prüften auf Anweisung der Alten noch einmal, ob der Strick auch fest genug um den Baum gewickelt und der Knoten gut geknüpft war. Anschließend hockte sich einer von ihnen in den Schatten eines der kleinen Stallgebäude und machte Miene, in den kommenden Stunden kein Auge von der Gefangenen zu wenden. Die anderen zerstreuten sich in verschiedene Richtungen, auch die Alte humpelte ins Wohnhaus zurück, und Tiessa bemerkte erst jetzt, dass die beiden jungen Frauen die Szene von der Dachterrasse aus verfolgt hatten. Sie waren nicht allein, es befand sich noch eine dritte Frau bei ihnen, außerdem einige Kinder, hübsche kleine Wesen mit großen, samtigen Augen und schwarzem Lockenhaar, die ebenfalls voller Neugier über die niedrige Brüstung hinweg nach unten starrten.
    Tiessa wusste nicht, was sie mit dieser verrückten Situation anfangen sollte, aber sie verzog sich erst einmal in den Baumschatten und setzte sich nieder. Es war offensichtlich, dass man sie nicht töten, sondern nur daran hindern wollte, fortzulaufen. Aber weshalb? Sie seufzte und tastete vorsichtig nach dem Strick um ihren Hals – der Knoten war so fest angezogen, dass sie wohl ein Messer gebraucht hätte, um sich zu befreien. Oder wenigstens einen scharfkantigen Stein. Einen eisernen Nagel, den sie benutzen könnte, den Knoten zu lösen … Aber unter den Augen dieses geradezu penetrant aufmerksamen Knaben war an solche Befreiungsversuche gar nicht zu denken. Sie konnte froh sein, dass das Seil ihr ermöglichte, im Schutz einer Mauer und eines Busches ungesehen ihre Notdurft zu verrichten, ansonsten war sie beständig den wachsamen Blicken ausgesetzt.
    Erschöpft lehnte sie den Kopf gegen den Stamm und schloss die Augen. Insekten summten im Baum, oben auf der Dachterrasse jauchzte und lachte eines der Kinder, ein anderes zeterte, die Frauen redeten sanft und beharrlich auf die Kleinen ein. Töpfe klapperten, der Rauch eines Feuers war zu riechen, bald darauf auch der Duft von Speisen. Bohnen und Zwiebeln, frisches Brot …
    Eine feuchte, warme Berührung ließ sie zusammenzucken – der gelbbraune Hund leckte ihr die Hand und hatte offenbar vor, sich dicht neben ihr niederzulasssen. Außerdem entdeckte sie einen Krug und einen irdenen Becher gleich neben sich im trockenen Gras, und sie stürzte sich auf das frische Wasser, denn sie war halb verschmachtet.
    » Wohl bekomm’s, schöne Frau. Allah gebe dir Gesundheit und Zufriedenheit. Er erhalte dir deine Augen und deine Lippen, auf dass du allezeit sehen und reden kannst und den Frommen mit deinem Anblick ergötzt. «
    Sie setzte den Becher ab und stellte fest, dass neben dem Knaben jetzt ein Greis saß, ein weißgekleideter Alter mit grünen Schnabelschuhen und einer roten, kunstvoll bestickten Kappe auf dem schon ziemlich gelichteten Haar. Sein weißer Bart war – im Gegensatz zu dem Haupthaar – sehr üppig und sorgfältig zurechtgeschnitten, auch waren seine buschigen Augenbrauen seltsamerweise noch nicht ergraut, sondern von tiefer Schwärze.
    Sie musste ihn wohl ziemlich verblüfft angesehen haben, denn er verzog die Lippen zu einem Grinsen, wobei er zwei einsame, lange Vorderzähne zeigte.
    » Hat geschlafen und nicht gesehen, dass Jussuf Ibn Abbas sich herbeigeschlichen hat. Leise wie ein Geist, der durch die Luft geflogen kommt. Er redet die fränkische Sprache, Jussuf Ibn Abbas, der früher ein großer Kämpfer für den rechten Glauben gewesen ist und viele Heldentaten verrichtet hat. «
    Sie begann zu verstehen. Dieser etwas merkwürdige Greis konnte die fränkische Sprache sprechen. Das war eine einmalige Gelegenheit, etwas über ihre » Gastgeber « und deren Absichten herauszu bekommen.
    » Jussuf Ibn Abbas « , sagte sie langsam. » Das seid Ihr? «
    Er strich mit der rechten Hand glättend über seinen Bart.
    » Sie hat von mir gehört, die junge Fränkin « , stellte er mit Stolz fest. » Jussuf Ibn Abbas hat gekämpft mit dem Emir Unur um die Stadt Damaskus. Glänzend war unser Sieg. Der deutsche König Konrad und der französische König Ludwig, sie flohen wie die Hasen nach Galiläa, aber unsere Pfeile

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