Die Braut des Kreuzfahrers
glättete ihre Kleidung und schlenderte zu dem ledernen Beutel, der ein Eimer sein sollte. Nachlässig bückte sie sich, um ihn aufzuheben, schüttelte ihn, schaute hinein, betrachtete das Ding von außen, schlenkerte es an dem ledernen Henkel hin und her. Dann beförderte sie das Leder mit einem gut gezielten Wurf vor die Füße der Alten. Ein Zicklein sprang erschrocken davon, dem Hund zuckte es in den Pfoten, dem Leder nachzulaufen, er unterließ es jedoch und setzte sich in den Schatten.
Sie vernahm aufgeregtes Geflüster oben auf der Dachterrasse und ahnte, dass man von dieser Heldentat wohl noch nach Jahren reden würde. Ansonsten geschah nichts. Die alte Fatima drehte sich um und ging gelassen davon.
Die Sonne gewann an Kraft, sie schmolz den Schatten des Feigenbaums zu einem dunklen Klümpchen, die Mauern sogen ihre Hitze in sich auf und strahlten sie wieder ab. Gegen Mittag schien die Welt in vollkommener Bewegungslosigkeit erstarrt. Nicht einmal ein Blättchen hob sich, die Ziegen standen, als seien sie aus Holz geschnitzt, die Hühner waren irgendwo an einen schattigen Ort verschwunden, der Hund döste neben dem Hauseingang. Tiessa hockte mit angezogenen Knien unter dem Baum und starrte auf ihre Schuhe. Im Mauerschatten saß still der glatzköpfige Diener. Er musste gewaltige Angst vor seiner Herrin haben, denn obgleich ihm immer wieder die Lider herabsanken, schlief er nicht ein.
Gegen Abend ging Tiessa das Wasser aus. Ihr Magen war leer, seit gestern Früh hatte sie nichts mehr zu essen bekommen. Sie tröstete sich damit, dass einige Fastenwochen noch niemandem geschadet hatten. Später, als die Müdigkeit sie übermannt hatte, wagten sich die Diener herbei, um ihr die Hände auf den Rücken zu binden.
Die Nacht verbrachte sie in Gesellschaft des gelbbraunen Hundes, der sich neben ihr niederließ, um ihr das Gesicht zu lecken. Am Morgen nahm das Leben auf der Burg seinen gewohnten Fortgang. Die kräftige und die dünne Frau spannten zwei Ziegen vor einen wackligen Wagen, warfen Hacken und Säcke hinein und zuckelten in Gesellschaft einer Magd davon. Die alte Fatima setzte sich mit zwei Dienerinnen in den Schatten, um Bohnen zu schälen und Kohl zu schneiden. Irgendwo wurde gekocht, der Duft der Speisen und Gewürze stieg Tiessa in die Nase. Kein Tropfen Wasser, die Zunge klebte ihr am Gaumen.
Am Nachmittag kam der alte Jussuf Ibn Abbas, setzte sich neben ihren Aufpasser und wackelte bedenklich mit dem Kopf.
» Es lohnt nicht, sich mit Fatima einzulassen « , sagte er mitleidig. » Sie ist immer die Stärkere. Sitha und Budur haben das gleich begriffen, nur Aischa, die dritte Frau des Sohnes, wollte es lange nicht wahrhaben. Nun ist sie krank geworden vor Starrsinn und kann nicht mehr laufen, sie ist immer nur oben bei den Kindern. «
Tiessa hatte rasende Kopfschmerzen, dennoch begriff sie. Aischa war lieber krank geworden, als ihr Leben lang gehorchen zu müssen. Es war ihre Art, sich gegen die Herrschaft der Schwiegermutter zu wehren.
Gegen Abend kehrten Budur und Sitha mit einem Karren voller grüner Melonen zurück. Später warf jemand den Ledersack unter den Feigenbaum, das Ding rutschte über den Boden und blieb neben Tiessa liegen. Sie nahm das Wurfgeschoss und zielte damit auf ihren Wächter, verfehlte ihn jedoch um ein ganzes Stück, weil ihr die Kraft ausging.
Am folgenden Morgen lag sie teilnahmslos im Baumschatten, lauschte auf das Stimmengewirr, das anschwoll und wieder leiser wurde, um nach einer Weile aufs Neue laut in ihre Ohren zu dringen. Sonnenblitze, so hell wie das Licht um Gottes Thron, fielen durch das Laub des Feigenbaums, teilten sich vielfarbig wie ein Regenbogen, sprühten Funkenfontänen.
» Trink « , sagte eine Stimme.
Etwas Kühles netzte ihre Lippen, füllte ihren Mund und lief die ausgedörrte Kehle hinab. Sie hustete.
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D er Ritter Gottfried von Perche musste sich eingestehen, dass er für die Reize der muselmanischen Tänzerinnen sehr viel empfänglicher war, als er vermutet hatte. Ihre Körperbewegungen glichen nicht denen der Spielfrauen zu Hause auf den Jahrmärkten, die plump und herausfordernd waren und ihn immer abgestoßen hatten. Der Tanz dieser Frauen war anmutig und von einer verwirrend fremdartigen Verlockung. Wie seltsam die Gebräuche der Muselmanen doch waren – die Tänzerinnen trugen zarte Gewänder, die an mehreren Stellen geöffnet waren und ihre weiblichen Formen mehr entblößten als verhüllten, dennoch waren ihre Gesichter bis auf die
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