Die Braut des Kreuzfahrers
gab ihnen Kraft.
Roger war so tief in seine Gedanken versunken, dass ihm sogar die Spottlust vergangen war. Schweigend nahm er wahr, dass Gottfried den Knappen aufsitzen ließ und selbst zu Fuß ging, wie er es schon bei früheren Feldzügen getan hatte. Roger selbst saß auf einem Schimmelwallach, den er in Jaffa einem muselmanischen Händler abgekauft hatte und der angeblich von der Stute des Propheten abstammte. Wenn das die Wahrheit war, dann war der Prophet Mohammed ein vorzüglicher Reiter gewesen, denn der Wallach hatte die Angewohnheit, plötzlich und ohne ersichtliche Gründe auszubrechen.
Am Abend erreichte das erschöpfte Heer das Kastell Arnaud nahe dem Ort Beit Nuba, eine der wenigen Festungen, die nicht in Saladins Hände gelangt war. Die Burg erstreckte sich über einen kahlen Hügel und war in der warmen Jahreszeit gewiss ein imposanter Anblick. Templer saßen hier, mutige Ritter, die Saladins Angriffen getrotzt und die Festung gehalten hatten. Das große Heer errichtete sein Lager im Windschutz der Anlage, nur die vornehmsten Herren fanden Einlass in die Burg und genossen das Privileg, am warmen Feuer im Trockenen zu sitzen. Niemand war darüber erbost, denn die einfachen Ritter und Kämpfer kannten ihre Stellung. Nur unter den Waschfrauen brach ein Streit aus, der jedoch durch einen Spruch des Heerführers rasch beigelegt wurde. Alle Wäscherinnen hatten draußen im Lager zu bleiben.
Gottfried fand zwar aufgrund seines Rangs Einlass in die Festung, musste jedoch gemeinsam mit anderen adeligen Rittern in einem großen Saal Quartier nehmen, wo es zugig und unfreundlich kalt war. Die Knechte der Templer hatten dort Lagerstätten aus Stroh und Decken errichtet, die Mägde schleppten Kübel mit warmem Wasser und trockene Tücher herbei. Man konnte sich den Schlamm abwaschen und die triefenden Gewänder gegen frische tauschen, die zwar während des Marschs ebenfalls feucht geworden, aber wenigstens sauber geblieben waren. Schlimmer sah es mit Helmen und Kettenhemden aus, die arg gelitten hatten und jetzt gesäubert und eingefettet werden mussten.
Richard Löwenherz zeigte sich nur für kurze Zeit. Er durchquerte den Saal und richtete einige aufmunternde Worte an die Herren, um dann mit seinen Begleitern hinter einer niedrigen Pforte zu verschwinden. Gottfried stellte fest, dass der Heerführer missgelaunt war, was man an seiner fahrigen Redeweise und den schmal zusammengekniffenen Augenlidern erkannte. Möglich, dass auch er sich eine Erkältung eingehandelt hatte, wahrscheinlicher aber war, dass ihm dieser Kriegszug schon viel zu lange dauerte und er die Widrigkeiten des Wetters in den judäischen Bergen unterschätzt hatte.
» Wir sind nur zwölf Meilen von Jerusalem entfernt « , sagte ein Ritter, der unweit von Gottfried auf einem Strohlager saß und sich die Zehennägel mit einem Messer schnitt. » Schon morgen könnten wir vor der Stadt sein! «
Gottfried hatte zwar gewusst, dass die Heilige Stadt nicht mehr fern sein konnte – dennoch war er jetzt ergriffen. Schon morgen. Allein der Anblick des heiligen Ortes würde sie für alle Mühsal entschädigen. Die gewaltigen Mauern. Die Kuppel der Grabeskirche. Die Tore, zwölf an der Zahl, darunter jenes, durch das einst Jesus Christus in die Stadt eingezogen war, auf einem Esel reitend, von den Menschen mit Palmwedeln empfangen. Die Stätte, an der der Tempel der Juden einst gestanden hatte, dort, wo der Herr die Wucherer vertrieb. Der Garten Gethsemane, wo Jesus Christus die Nacht vor seiner Gefangennahme wachte und betete, während seine Jünger schliefen. Das Grab Christi. Dort war der Auferstandene den Frauen erschienen …
» Morgen werden wir den Himmel offen sehen « , meinte ein Ritter, der seiner Aussprache zufolge aus der Normandie kommen musste. Sein Haupthaar war rötlich, mit weißen Fäden vermischt. Trotz seines Alters war er kräftig und schien von Kälte und Hunger unbeeindruckt.
» Macht euch auf einen guten Kampf gefasst « , meinte ein junger Ritter aus Burgund, der einen Waffenrock aus rotem Sammet trug und bekümmert festgestellt hatte, dass der schöne Stoff durch Schmutz und Regen vollkommen ruiniert war.
» Saladin wird uns mit seinen Truppen empfangen. Er wird Jerusalem bis zum Letzten verteidigen. Er muss es, denn sein Ruhm gründet sich auf die Eroberung dieser Stadt. Verliert er Jerusalem, dann werden die eigenen Leute ihm nicht mehr gehorchen. «
» Wir haben Saladin Akkon genommen und seine Truppen bei Arsuf
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