Die Braut des Kreuzfahrers
Stadteingang eine Fackel kaufen, einen abgebrochenen Ast, den ein schlauer Händler an einem Ende mit Pech bestrichen hatte. Der Kerl verkaufte an diesem Abend seinen gesamten Vorrat an die französischen Ritter, die aus Ramla nach Jaffa geritten waren, und er jammerte dennoch lauthals, dass sein Bruder, dieser Faulpelz, nicht noch mehr Fackeln hergestellt hatte.
» Die Gier « , dachte Gottfried, als sie beim flackernden Fackelschein durch die Gassen zu ihrem ehemaligen Quartier ritten. » Die Sünde der Gier hat selbst diesen armen Tropf erfasst. Wieviel mehr Opfer findet sie bei den Handelsleuten aus Genua und Pisa, den Venezianern und den reichen Kaufleuten aus Byzanz! «
Er dachte eine Weile darüber nach, dass die Kreuzfahrerstaaten durch all diese Handelsherren reich geworden waren, vor allem die Küstenstädte, wo sich die Niederlassungen der Händler befanden und Waren aus aller Herren Länder umgeschlagen wurden. Küstenstädte wie Tyros und Akkon, wie Jaffa und auch Askalon. Es war wichtig, diese Orte in christlicher Hand zu haben – weshalb sollte all dieser Reichtum den Sarazenen gehören? Und doch war die Gier eine Todsünde, vor der sich ein Christ hüten musste.
Er wunderte sich über sich selbst und fragte sich, weshalb er solch trübe Gedanken mit sich herumtrug, während in den Gassen der Stadt buntes Treiben herrschte. Etliche Tavernen hatten ihre Türen weit geöffnet, als die Ankunft der Kreuzfahrer sich herumsprach. Ein paar Gaukler und ein Feuerschlucker fanden sich vor einer Kirche, die ihr Publikum mit wilden Sprüngen und Kapriolen begeisterten. Einer dieser Burschen sang ein Lied zur Laute, und Gottfried war entsetzt über die Zoten, die er im Vorüberreiten aufschnappte. Der Sänger erhielt viel Beifall, die Männer brüllten, Weiber kreischten, und man bewarf ihn mit Münzen. Gottfried hatte plötzlich das Gefühl, den jungen Burschen zu kennen, doch da er sein Gesicht nicht sehen konnte, war er bald davon überzeugt, einer Täuschung aufgesessen zu sein. Einen Menschen, der solch abstoßend plumpe Verse herausbrüllte, kannte er ganz sicher nicht und er wollte ihn auch nicht kennen.
Ihr ehemaliges Quartier war inzwischen von einer muselmanischen Familie bezogen worden, Einwohner der Stadt, die geflohen waren, als Saladin den Ort schleifen ließ, und nun mit ihren Familien wieder zurückgekommen waren. Roger befahl Konrad, nach Leila zu fragen, und erhielt die Auskunft, sie sei mittlerweile fortgezogen.
» Fort? Wohin? «
Der muselmanische Hausbesitzer behauptete, es nicht zu wissen, doch der ängstliche Blick, mit dem er zu dem fränkischen Ritter aufsah, strafte ihn Lügen. Gottfried gelang es gerade noch, seinen Freund davon abzuhalten, den unglücklichen Muselman an der Gurgel zu packen.
» Beruhige dich. Sie wird irgendwo eine Nachricht hinterlassen haben. «
» Ich drehe diesem Lügenschwein den Hals um! «
» Dann wirst du Leilas Aufenthaltsort erst recht nicht erfahren. «
» Frag ihn, wo sie ist, Konrad. Und wenn er es nicht auf der Stelle ausspuckt, mache ich ihn einen Kopf kürzer! «
Konrad war selbst aufgeregt, denn ohne Leila würde er nicht in Rogers Dienste treten können und auch niemals in Frankreich sein Glück machen. Er stellte dem schwarzbärtigen Hausbesitzer mehrere Fragen, erhielt zuerst kurze, dann immer ausführlichere Antworten, und Gottfried sah mit Sorge, dass das Gesicht des Knaben immer länger wurde.
» Also was ist? « , tobte Roger, der bereits die Hand an den Schwertgriff gelegt hatte. » Wollt ihr alle beide dran glauben oder redest du jetzt endlich? Wo ist sie? «
» Genau weiß er es auch nicht « , sagte Konrad gedehnt. » Aber er sagte … «
» Was sagte er? Soll ich es dir aus der Nase herausziehen, ja? «
Gottfried fing einen hilfesuchenden Blick des Knaben auf und wollte einschreiten, da hatte sich Konrad schon entschlossen, die Wahrheit zu sagen. Es war eine unheilvolle Entscheidung.
» Er sagte, dass Leila nicht allein fortgegangen ist … «
» Nicht allein? «
Roger warf die ausgebrannte Fackel auf die Gasse.
» Es sind Leute gekommen, mit denen ist sie fortgegangen. «
» Leute? Was für Leute? «
» Es waren … irgendwelche Gaukler. Junge Männer und auch zwei Frauen. Sie ging mit ihnen, weil sie sie wohl kannte. «
Roger stand einen Moment starr wie eine Salzsäule und glotzte dem Knaben ins Gesicht. Dann wandte er sich mit einer steifen Bewegung zu Gottfried um.
» Sie ging mit diesen Leuten fort? « , sagte er
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