Die Braut des Kreuzfahrers
Kalifen Nureddin? «
Tiessa fühlte sich hilflos wie nie zuvor. Ohne die schützende Hülle aus Kleidern den Blicken dieser Männer ausgeliefert, eine nackte Sklavin, eine Hure, die auf dem Liebeslager zurückgeblieben war und über die man nun nach Belieben verfügen konnte. Sie starrte den Alten an, der noch gestern bei ihr gesessen und fröhlich von vergangenen Heldentaten geplaudert hatte. Da hatte er doch längst gewusst, was sein Sohn Mehmed, dieser elende Feigling, plante. Aber er hatte geschwiegen, weil er sich keinen Ärger einhandeln mochte.
» Sie sollten dafür sorgen, dass sie etwas zu essen bekommt, bevor ich sie mitnehme. Außerdem einen Mantel, Wäsche, einen Kamm und was sie sonst noch braucht. «
Dem Fremden schienen Jussufs Klagen wenig Mitgefühl abzuverlangen. Er überflog Tiessa noch einmal mit Kennerblick, schüttelte dann den Kopf und behauptete, sie sei eine Fränkin und daher schwer an den Mann zu bringen.
» Ach, du willst den Preis drücken, Sohn eines Schakals « , meinte der alte Jussuf, während sie miteinander aus dem Zimmer gingen. » Fang besser gar nicht damit an, mein Sohn hat gesagt, entweder zu diesem Preis oder gar nicht. «
» Nun, dann eben gar nicht. Sollen seine Frauen ihn doch vergiften … «
» Hast du ihre Brüste gesehen? Die prangen wie Granatäpfelchen. Das seidige Haar, die Fußzehen wie rosige Perlen … «
» Ja, wenn sie noch unberührt wäre … «
Keine der Frauen ließ sich blicken, doch Tiessa war sicher, dass sie drüben hinter dem Vorhang standen und ihren Triumph genossen. Sprach der alte Jussuf aus diesem Grund nicht arabisch, sondern fränkisch mit dem Händler? Vielleicht wollte er verhindern, dass die Frauen Einzelheiten erfuhren, die ihre Schadenfreude noch gesteigert hätten? Eine Magd trat ein und warf ihr ein langes Hemd und ein nicht mehr ganz sauberes Übergewand aufs Lager, eine zweite trug ein Paar ausgetretene, verdreckte Frauenstiefel herbei. Der Mantel war aus Ziegenhaar, steif und kratzig, aber wenigstens würde er gegen Wind und Regen schützen. Tiessa war froh, irgendetwas anziehen zu können, auch wenn man ihr die ältesten und hässlichsten Gewänder gegeben hatte, die auf dem Hof zu finden waren. Jetzt, nach dem ersten Entsetzen, gelang es ihr, sich zu fassen und ihre Lage vorsichtig einzuschätzen. Dieser Kerl war ohne Zweifel ein Sklavenhändler – Mehmed, der jämmerliche Feigling, der Pantoffelheld, der Angst vor seinen Frauen hatte –, Mehmed hatte sich also entschlossen, über sie zu verhandeln.
Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, dachte sie, während sie die Stiefel an die Füße zog. Wenn er mich an die Küste bringt, werde ich gewiss Landsleute treffen, die mich aus der Sklaverei erlösen. Vielleicht hat Gott der Herr sogar beschlossen, mich auf diese Weise zurück in die Heimat zu führen und aller Not ein Ende zu machen?
Aischa trat ein und brachte ihr einen Krug mit Wasser, dazu einige Datteln und ein frisches Fladenbrot. Sie stellte alles auf dem Boden ab und ging wieder hinaus, ohne Tiessa anzuschauen. Auch sie war zornig auf die fränkische Sklavin, die Mehmeds Herz so sehr eingenommen hatte, dass er wochenlang keine seiner Ehefrauen mehr besucht hatte. Tiessa trank etwas Wasser und aß eine getrocknete Feige – mehr brachte sie nicht herunter.
Was hätte ich denn tun sollen?, dachte sie beklommen. Mich gegen Mehmed wehren? Ihn kratzen und beißen, mit den Füßen treten, ihn anspucken? Er hätte mich sowieso genommen, ich hatte keine Chance, ihm zu entkommen. Weshalb also sind sie böse auf mich? Man machte nicht viel Aufhebens um den Verkauf der Sklavin Tiessa. Ein Bündel wurde ihr vor die Füße geworfen, dann trieb sie der Glatzköpfige aus dem Frauengemach, wobei er in lächerlicher Weise in die Hände klatschte, als sei sie ein Huhn, das sich verirrt hatte. Unten im Hof hatte Fatima die Karawanenführer bewirtet und ihre Tiere mit Futter versorgt. Als Tiessa mit ihrem Bündel aus der Tür trat, waren zwei der Männer schon damit beschäftigt, einige Lasten wieder auf Maultieren und Pferden zu verstauen. Vermutlich handelte dieser Mensch nicht nur mit Sklaven, sondern auch mit allerlei anderen Waren, die hier oben in den Bergen nicht so leicht zu haben waren. Neben dem Ziegenstall hockten vier Männer und eine junge Frau. Allen waren die Hände gefesselt, und die Stricke, die ihre Füße miteinander verbanden, waren gerade so lang, dass sie laufen, jedoch keinesfalls größere Sprünge machen
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